Fachartikel

POaaS – Project Office as a Service

Das Projektmanagement hat eine lange Geschichte, und Instrumente wie das Gantt-Diagramm sind bereits über 100 Jahre alt. Doch obwohl der Kern des Projektmanagements – die Verbindung des magischen Dreiecks „Leistung, Zeit und Kosten“ – über die Jahrzehnte gleichgeblieben ist, verändert sich das Wesen des Projektmanagements stetig. Ein neues Konzept ist Project Office as a Service (POaaS).

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POaaS

Das Projektmanagement hat eine lange Geschichte, und Instrumente wie das Gantt-Diagramm1 sind bereits über 100 Jahre alt. Doch obwohl der Kern des Projektmanagements – die Verbindung des magischen Dreiecks „Leistung, Zeit und Kosten“ – über die Jahrzehnte gleichgeblieben ist, verändert sich das Wesen des Projektmanagements stetig.

Neue Rahmenbedingungen ermöglichen neue Lösungen

Digitalisierung, Agilität oder Managementansätze, wie der Servant-Leadership-Ansatz von Robert Greenleaf2, haben in den letzten Jahren großen Einfluss auf das Projektmanagement und die Rolle des Projektmanagers genommen. Hinzu kommen neue Konzepte, die den Projektmanager dabei unterstützen, die vereinbarten Liefergegenstände bei gleichzeitiger Einhaltung der geplanten Kosten, der Zeit und unter Erreichung der gewünschten Qualität bereitzustellen. Eines dieser neuen Konzepte ist „Project Office as a Service“ (POaaS).

Project Office vs. Project Management Office

Die Begriffe Project Office (PO) und Project Management Office (PMO) sind in den unterschiedlichen Projektmanagementstandards

  • PMI (Project Management Institute),
  • PRINCE2 (Projects IN Controlled Environments),
  • IPMA (International Project Management Association)

nicht eindeutig definiert. In diesem Artikel verwenden wir die Definition gemäß der GPM, Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Entsprechend der GPM (IPMA) „unterstützt (das PO) das Projekt beziehungsweise den Projektmanager in administrativen Tätigkeiten für die Dauer der Projektlaufzeit. Dieses Büro ist dem Projektmanager zugeordnet. Dieses Büro ist dediziert für das betreffende Projekt angelegt.“3

Dabei darf das PO nicht mit dem PMO verwechselt werden. Das PMO ist gemäß GPM „eine permanente Einheit, die für die Etablierung, Implementierung und Fortentwicklung des Projektmanagementsystems zuständig ist.“4 Damit ist das PMO für die Strategie im Projektmanagement eines Unternehmens zuständig.

Project Office

Das Project Office ist, wie schon beschrieben, eine dem Projektmanager untergeordnete projektinterne Stabsstelle oder Projekteinheit. Sie unterstützt den

Projektmanager bei der Ausübung seiner Tätigkeiten. Im Regelfall übernimmt das PO primär administrative Tätigkeiten, zum Beispiel die Pflege des Projekthandbuchs, On- und Offboarding der Projektmitarbeiter sowie das Dokumenten- oder Meeting-Management. Die steuern- den Tätigkeiten verbleiben im Kompetenzbereich des Projektmanagers. Auch die Verantwortung der Projektzielerreichung liegt weiterhin beim Projektmanager.

In kleineren Projekten übernimmt der Projektleiter in der Regel alle Projektmanagementtätigkeiten selbst. In größeren Projekten oder Programmen – wenn die Gesamtausübung der Projektmanagementtätigkeiten die Kapazität des Projektleiters überschreitet – wird häufig ein festes Project Office etabliert. Dabei werden die benötigen Ressourcen für das Project Office von Beginn an fest eingeplant, davon ausgehend, dass die Aufwände gleichbleibend über die Projektlaufzeit benötigt werden.

Schwankender PM-Aufwand führt zu Ressourcenproblemen

Der Aufwand für die Steuerung eines Projekts ist über die Dauer der Projektlaufzeit schwankend (siehe Abbildung 1). Gründe hierfür sind vor allem die wechselnde Anzahl an Aufgaben in den einzelnen Projektphasen. So sind für den Projektmanager die Phasen der Projektinitialisierung und des Projektabschlusses (Abnahme von Liefergegenständigen) meist aufwendiger als andere Phasen. Hinzu kommt, dass es in der Realität immer wieder zu Abweichungen vom Projektplan kommt.

Unerwartete, unplanbare Ereignisse erfordern hierbei die volle Aufmerksamkeit und das schnelle Handeln des Projektmanagers. In diesen Phasen führen die Standardtätigkeiten, wie das Erstellen eines Statusberichts, schnell zur Überlastung des Projektleiters. Gleichzeitig hat der schwankende Projektmanagementaufwand einen direkten Einfluss auf die Auslastung eines Project Offices. In Phasen mit geringen Projektmanagementaufwand sind im Project Office Kapazitäten frei und ist somit die Auslastung nicht gewährleistet.

Dies hat einen negativen Einfluss auf die Projektkosten, da unproduktive Personalkosten anfallen. Demgegenüber stehen die Projektphasen mit hohem Managementaufwand. In diesen Phasen ist das Project Office überlastet, was sich häufig auf die Qualität der Arbeit, das Einhalten von Terminen und auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auswirkt.

Hinzu kommt, dass in den Unternehmen meist eine Vielzahl von Projekten gleichzeitig stattfindet – von kleinen Projekten bis hin zu großen Programmen. Je nach Projektgröße liegt der Schwerpunkt der PO-Tätigkeiten an anderer Stelle. Bei kleinen Projekten kommt es schnell zu einer Überlastung des Projektmanagers, weil zum Beispiel das Erstellen von Berichten „immer zum falschen Zeitpunkt“ kommt. In großen Projekten oder Programmen wiederum muss auf die Auslastung der Mitarbeiter geachtet werden. Nicht zu vergessen sind die Projekte, die zwischen Kleinprojekt und großem Programm liegen. Hier stellt sich dem Projektmanager häufig die Frage: „Etabliere ich ein PO oder nicht?“

Die Lösung: POaaS

Die Lösung dieses Dilemmas heißt Project Office as a Service (POaaS). Dieses Konzept basiert auf dem klassischen „As-a-Service-Gedanken“, der aktuell im IT-Bereich nahezu omnipräsent ist, wie zum Beispiel Software as a Service, Platform as a Service oder Infrastruktur as a Service. Doch auch außerhalb der IT-Branche gewinnen „aaS-Modelle“ immer mehr an Bedeutung, beispielsweise im Bereich der Mobility (Mobility as a Service).

Der Kerngedanke von as-a-Service-Modellen ist die bedarfsorientierte Bereitstellung von Services. Der Kunde ist nicht mehr gezwungen, Ressourcen zu erwerben, sondern kann vielmehr bedarfsgerecht auf Services zurückgreifen. Die Vorteile von aaS-Modellen für den Kunden sind vielfältig: aaS-Modelle sind kosteneffizient, da der Kunde nur noch das bezahlt, was er wirklich benötigt. Zudem sind solche Modelle skalierbar und ermöglichen so eine hohe Flexibilität und fangen Belastungsspitzen ab.

Flexibler Ressourceneinsatz durch POaaS

Abbildung 1: Flexibler Ressourceneinsatz durch POaaS

POaaS greift den klassischen as-a-Service-Gedanken auf, mit all seinen Vorteilen: Es werden PO-Leistungen als Service angeboten. Somit kann durch die Einführung eines POaaS das klassische PO im Projekt entfallen. Projektmanager müssen nicht mehr abwägen, ob sich das Etablieren eines PO rechnet und die Auslastung gewährleistet ist. Vielmehr kann jeder Projektmanager nun flexibel, bedarfsgerecht und individuell PO-Leistungen als Services beziehen. Um das zu ermöglichen, wird ein Project Office zentral als Stabstelle eingerichtet. Alternativ kann auf einen externen Dienstleister zurückgegriffen werden der die entsprechenden Services, bedarfsgerecht anbietet.

Das POaaS bietet alle Tätigkeiten eines Project Offices auf Basis fest definierter Leistungen als Services an. Vom Projektmanager können die Leistungen flexibel gebucht werden. Um die Qualität der PO-Services zu gewährleisten, verfügt jeder Service über fest definierte Qualitäts- und Abnahmekriterien sowie Service Level Agreements. Die Organisationsform des POaaS ermöglicht es dem Projektmanager, bedarfsgerecht PO-Leistungen zu beziehen, und zwar ausschließlich dann, wenn sie tatsächlich benötigt werden. Somit werden die Auslastungsschwankungen im Projektmanagement ausgeglichen, und es entsteht ein positiver Effekt bezüglich der Kosten und der Belastung der Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter.

Leistungen eines POaaS

Um die Organisationsform des POaaS effektiv zu nutzen, werden hier Leistungen zusammengefasst, die in Projekten meist nur temporär benötigt werden. Dies sind neben den klassischen Tätigkeiten der Projektassistenzen – wie das Erstellen von Statusberichten, Protokollen etc. oder das On- und Offboarding von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Tätigkeiten wie das Risiko- und Stakeholder-Management oder auch, im agilen Umfeld, die Funktion eines Scrum-Masters. Um diese Tätigkeiten effektiv, effizient und qualitativ hochwertig durchzuführen, wird im POaaS entsprechend qualifiziertes Personal, unter anderem aus- gebildete Projektleiter, eingesetzt. Mit darauf abgestimmten Schulungen werden alle Mitarbeiter ständig fortgebildet. So steht immer bestens geschultes Personal zur Verfügung.

POaaS als Dienstleistung

Da das Projekt Office zentral als Stabstelle etabliert wird, ist es eine projektexterne und projektübergreifende Organisation. Durch den Einsatz erfahrener, gut ausgebildeter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird das Projektmanagement professionell unterstützt. Als zentraler Dienstleister im Unternehmen bietet das POaaS seine Tätigkeiten und sein Know-how vielen Projekten an. Dadurch entsteht aufseiten des POaaS ein Skaleneffekt, der schwankende Bedarfe aus- gleicht. Das führt zu einer gleichmäßigen Auslastung der Ressourcen im POaaS-Pool.

Der Aspekt Qualität

Im Idealfall arbeitet das POaaS eng mit dem PMO des Unternehmens zusammen und wendet die vorhandenen Projektmanagementstandards an, beispielsweise bei der Erstellung des Projekthandbuchs. Somit unter- stützt das POaaS das PMO bei der Implementierung und Etablierung der existierenden Projektmanagementstandards. Das führt zu einer konstant hohen Qualität der Projektmanagementtätigkeiten über alle Projekte hinweg und ermöglicht es, den unternehmensweiten Projektmanagementstandard zu erhöhen (Erreichen von Projektmanagement Excellence).

Wird das POaaS entsprechend aufgebaut, verfügt es über eine Vielfalt an erfahrenen PO-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter. Innerhalb des POaaS können somit leichter Good Practices für das Unternehmen ent- wickelt werden, die die Abwicklung von PO-Services kosten- und zeiteffizienter ermöglichen sowie qualitativ verbessern.

POaaS – eine Lösung für alle?

Auf den ersten Blick bietet das POaaS nur Vorteile für alle Beteiligten. Allerdings drängt sich die Frage auf, wieso das POaaS dann bis heute keine weitverbreitete, standardisierte Organisationform ist. Das lässt sich primär mit den folgenden vier Gründen erklären:

Digitalisierung

Das Konstrukt des POaaS erfordert eine IT-Infrastruktur, die eine schnelle, transparente Beauftragung sowie Abwicklung der PO-Services, im Idealfall unter Berücksichtigung der definierten Qualitäts- und Abnahmekriterien ermöglicht. Die technischen Möglichkeiten, diese Anforderungen zu erfüllen, beispielsweise mithilfe des Jira Service Desk, gibt es erst seit einigen Jahren.

Reifegrad

Das POaaS erfordert einen gewissen, um nicht zu sagen hohen Reifegrad der Organisation in Bezug auf Projekt- und Prozessmanagement. Eine POaaS-Organisation erfordert fest etablierte Prozesse und Projektmanagementstandards. Nur dann ist es dem POaaS möglich, die Projekte bestmöglich in hoher, gleichbleibender Qualität mit PO-Services zu versorgen sowie kontinuierliche Qualitätsverbesserungen zu ermöglichen.

Initialer Aufwand

Der Wechsel vom klassischen PO zu einer POaaS-Organisation ist zunächst mit Aufwänden verbunden. Es müssen die IT-Infrastruktur geschaffen sowie Prozesse (beispielsweise ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess) und Strukturen (beispielsweise Kommunikationsstrukturen) entwickelt und implementiert werden. Zudem müssen ein Leistungskatalog sowie ein Vergütungsmodell erarbeitet werden. Das ist zu Beginn aufwendig und zeitintensiv. Auch die Transitionsphase, in der das POaaS in die Organisation eingeführt wird, ist in der Praxis mit erhöhtem Aufwand verbunden, da Prozesse und Strukturen nachgeschärft werden müssen.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Wie bei jeder großen strukturellen Veränderung braucht auch der Wechsel weg von dedizierten Projekt Offices hin zu einer POaaS-Organisation die Unterstützung der Beteiligten beziehungsweise der Betroffenen und vor allem des Managements. Das POaaS kann nur erfolgreich sein, wenn sowohl entscheidende Instanzen als auch Projektmanagement und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Organisationsform unterstützen.

Fazit

Ein POaaS ist eine zukunftsorientierte und innovative Organisationsform, die Unternehmen mit einer Vielzahl an Projekten und fortgeschrittenem Reifegrad große Vorteile bietet. Sie ermöglicht die bedarfsgerechte, flexible und individuelle Versorgung der Projekte mit PO-Services. Ist die Organisationsform einmal erfolgreich etabliert, ermöglicht das POaaS Unternehmen und vor allem den Projekten, Kosten maßgeblich zu senken sowie hohe Qualitätsstandards zu etablieren und weiterzuentwickeln.

TEASER

Wie das POaaS Banken bei der Realisierung aufsichtsrechtlicher Anforderungen im Bereich Prozess- und Projektmanagement unterstützt

Die zunehmende Vernetzung und wachsende Datenflut haben die IT von Banken in den Fokus der Aufsicht gerückt. In den BAIT hat die BaFin einen Überblick der bankaufsichtlichen Anforderungen an die IT veröffentlicht. Darin ist unter anderem definiert, dass Banken ihre IT-Projekte angemessen steuern müssen – insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Risiken.

Außerdem wurde die Bedeutung der IT-Governance als Grundlage für die IT-Steuerung der Institute herausgestellt und weitere Anforderungen an den IT-Betrieb, das IT-Auslagerungsmanagement, das IT-Projektmanagement, die Anwendungsentwicklung, das Informationsrisikomanagement, das Informationssicherheitsmanagement und das Benutzerberechtigungsmanagement formuliert. Damit steigen auch die Anforderungen an ein aufsichtsrechtlich konformes Projektmanagement.

Das POaaS unterstützt eine schnelle, effiziente und breite Etablierung von PM-Prozessen und Standards über alle Projekte und Programme hinweg. Dies stellt sicher, dass Banken die aufsichtsrechtlichen Compliance- Anforderungen für PM-Prozesse erfüllen, und unterstützt eine optimale Auditvorbereitung bei aufsichtsrechtlichen Prüfungen.

Zudem laufen in der Realität bei Banken viele Projekte (insbesondere IT-Projekte) parallel. Somit ermöglicht das POaaS der Bank, zusätzlich zu den Vorteilen der Qualität, der Auditkonformität und der Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen, auch Kosteneffizienzen im Bereich Projektmanagement zu heben.

Quellen und weiterführende Links

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