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Die Kapitalflussrechnung – praktische Umsetzung und Fallstricke

NEWS 03/2024

Im folgenden Beitrag werden zunächst die Prinzipien der Kapitalflussrechnung skizziert. Anschließend erfolgt die Präzisierung für die Branche Banking. Dabei gehen wir auch auf typische Umsetzungs- und Auslegungsfragen ein, die leicht zu Fallstricken werden können.

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Artikel Kapitalflussrechnung, NEWS 03/2024

Die Kapitalflussrechnung stellt dar, wie viel Geld in einem Unternehmen in einer bestimmten Periode zu- beziehungsweise abgeflossen ist. Das heißt, es werden nur Einzahlungen und Auszahlungen einer bestimmten Periode erfasst und so die liquiden Mittel eines Unternehmens berechnet und transparent dargestellt.

Im folgenden Beitrag werden zunächst die Prinzipien der Kapitalflussrechnung skizziert. Anschließend erfolgt die Präzisierung für die Branche Banking. Dabei gehen wir auch auf typische Umsetzungs- und Auslegungsfragen ein, die leicht zu Fallstricken werden können.

Kapitalflussrechnung – ein Überblick

Die Kapitalflussrechnung1 bildet die Cashflows prinzipiell unsaldiert und differenziert für die drei Bereiche laufende Geschäftstätigkeit, Investitions- und Finanzierungstätigkeit ab.

Zunächst gibt sie den Finanzmittelfonds zu Periodenbeginn an. Vereinfacht gesprochen, entspricht dieser der Cash-Position in Form von Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten in Form der Liquiditätsreserve. Das sind hoch liquide Finanzmittel, die jederzeit in Zahlungsmittel transferiert werden können.

Der Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit kann nach der direkten oder der indirekten Methode dargestellt werden, während die Cashflows der Investitions- und Finanzierungstätigkeit nur direkt ermittelt werden dürfen.

Die Investitionstätigkeit bezieht sich auf Zahlungsströme von Unternehmensressourcen, die auf einen langfristigen Einsatz (typischerweise > ein Jahr) abzielen, inklusive der erhaltenen Zinsen und Dividenden. Einzubeziehen sind auch Cashflows von Finanzmittelanlagen der kurzfristigen Finanzdisposition, sofern diese nicht bereits dem Finanzmittelfonds zuzurechnen sind oder einen Handelszweck verfolgen.

Cashflows aus der Finanzierungstätigkeit betreffen die Aufnahme und Tilgung von Finanzschulden inklusive der gezahlten Zinsen und Dividenden sowie gegebenenfalls Transfers innerhalb des Konzerns.

Der Deutsche Rechnungslegungs Standard Nr. 21 (DRS 21) enthält die Mindestgliederungsschemata für die Darstellung der laufenden Geschäftstätigkeit nach der direkten und nach der indirekten Methode (vgl. Abbildung 1). Die direkte Methode bietet sich an, wenn das Rechnungswesen unmittelbar aus den Buchungen die Cashflow-wirksamen Geschäftsvorfälle ableiten kann.

Kapitalflussrechnung, Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit (direkte Methode)

Abbildung 1: Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit (direkte Methode) - zum Vergrößern bitte anklicken

Die Zahlungsströme sind grundsätzlich unsaldiert auszuweisen, es sei denn, es wird die – nunmehr betrachtete – indirekte Methode verwendet. Der Jahresüberschuss, der zunächst als zahlungsgleich interpretiert wird, ist um Aufwendungen, die keine Auszahlungen darstellen, sowie um Einzahlungen, die keine Erträge sind, zu erhöhen. Entsprechend ist der Jahresüberschuss um Auszahlungen ungleich Aufwendungen und um Erträge ungleich Einzahlungen zu kürzen.

Damit gilt für die indirekte Methode der Cashflow, wie in Abbildung 2 dargestellt.

Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit (indirekte Methode)

Abbildung 2: Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit (indirekte Methode) - zum Vergrößern bitte anklicken

Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit (indirekte Methode) – Erweiterung

Abbildung 3: Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit (indirekte Methode) – Erweiterung, Auszug(2)

Weitaus präziser kann der Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit bei Anwendung der indirekten Methode wie folgt angegeben werden, wie ein Auszug aus einer ausführlichen Darstellung der Literatur zeigt (vgl. Abbildung 3):

Kapitalflussrechnung – Besonderheiten der Bankenbranche

Die Kapitalflussrechnung von Kreditinstituten muss branchenspezifische Besonderheiten berücksichtigen, da bei Kreditinstituten die Wertschöpfungskette von derjenigen der Industrie erheblich abweicht. Es fehlt etwa im Unterschied zum verarbeitenden Gewerbe an der üblichen Abfolge Beschaffung, Produktion, Lagerung von Fertig- und Halbfertigerzeugnissen und schließlich dem Verkauf der erstellten Güter.

Es wäre viel zu aufwendig, beispielsweise sämtliche mit der Kreditvergabe verbundenen liquiditätswirksamen Ein- und Auszahlungen abzubilden. Relevant für die Kapitalflussrechnung ist hier vielmehr die jährliche Bestandsveränderung. Auch ist der Kundenzahlungsverkehr auszuklammern.

Der Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit ist bei den Kreditinstituten weiter zu fassen als etwa im produzierenden Gewerbe, sodass die Investitions- und Finanzierungstätigkeit entsprechend eingeschränkt wird. Maßgeblich für die Zuordnung von Cashflows zur laufenden Geschäftstätigkeit ist die Definition des Betriebsergebnisses.

Damit verbundene Cashflows zählen folglich zur laufenden Geschäftstätigkeit von Instituten. Hierzu zählen zum Beispiel auch Cashflows der Risikovorsorge, Zinsein- und -auszahlungen oder erhaltene Dividenden.

Der Cashflow aus der Investitionstätigkeit umfasst Ein- und Auszahlungen aus Zu- und Abgängen von Gegenständen des Anlagevermögens, wobei zwischen Finanzanlagen, Sachanlagen und immateriellem Anlagevermögen zu differenzieren ist.

Zum Cashflow aus der Finanzierungstätigkeit zählen Zahlungsströme aus Transaktionen mit Eigenkapitalgebern und anderen Gesellschaftern konsolidierter Tochterunternehmen sowie aus sonstigem Kapital. Gezahlte Dividenden sind gesondert auszuweisen.

Die Fremdfinanzierung, typischerweise die Emission von Schuldverschreibungen und Anleihen, oder die Refinanzierung am Geld- und Kapitalmarkt zählt zur laufenden Geschäftstätigkeit. Das bedeutet, auch der Cashflow aus der Finanzierungstätigkeit ist bei Kreditinstituten vergleichsweise eng gefasst.

Aufgrund der genannten Besonderheiten für das Institut, weicht das Mindestschema für die Darstellung der Kapitalflussrechnung von dem allgemeinen, das im vorherigen Abschnitt vorgestellt wurde, ab. In der Anlage 2 der DRS 21 ist das abweichende Schema aufgeführt (vgl. Abbildung 4).

Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit (indirekte Methode) – Schema für Institute

Abbildung 4: Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit (indirekte Methode) – Schema für Institute(3) - zum Vergrößern bitte anklicken

Kapitalflussrechnung in der Bankenbranche – Praxisfragen

Ungeachtet der bereits durch den Rechnungslegungsstandard definierten abweichenden Vorgehensweise von Instituten stellen sich in der Praxis weitere Fragen in der konkreten Anwendung. Im Folgenden werden beispielhaft einzelne Praxisfragen diskutiert.

Umbuchung von Wertpapieren aus dem Umlaufvermögen ins Anlagevermögen

Ein in der Praxis regelmäßig auftretender Fall und Diskussionspunkt ist die Umwidmung von Wertpapieren des Umlaufvermögens in solche des Anlagevermögens. Besteht im Unterschied zur ursprünglichen Bilanzierung später eine Dauerbesitzabsicht, so ist die Umwidmung in das Anlagevermögen folgerichtig. Es erfolgt dann im Gegensatz zur Bilanzierung im Umlaufvermögen keine Bewertung nach dem strengen Niederstwertprinzip mehr.

Auch in der Kapitalflussrechnung ist diese Veränderung zu betrachten. Grundsätzlich ist dieser Vorgang nicht liquiditätswirksam und in der Folge zunächst nicht in der Kapitalflussrechnung aufzunehmen, da hier kein Cashflow-relevanter Vorgang vorliegt. Allerdings ist diese Vorgehensweise zu kurz gegriffen, da die Veränderung für den externen Bilanzleser relevant sein könnte.

Eine Lösungsmöglichkeit liegt in der Anforderung des DRS 21.52 in Kombination mit DRS 21.53, wonach unter anderem „wesentliche zahlungsunwirksame Investitions- und Finanzierungsvorgänge und Geschäftsvorfälle“ als ergänzende Angaben entweder unter der Kapitalflussrechnung oder im Anhang aufzunehmen sind.

Da es sich bei der Umwidmung von Wertpapieren um einen wesentlichen Geschäftsvorfall mit einer Auswirkung auf die Investitionstätigkeit handelt (Erhöhung der Investitionsvermögens), ist der Vorgang zu dokumentieren und somit für den externen Bilanzleser ersichtlich.

Analyse des Forderungsbestandes

Betrachtet man an einem einfachen Beispiel die Veränderung des Forderungsbestands (1,4 Mio. €) während des Geschäftsjahres, so kann dies ganz unterschiedliche Ursachen haben.

Im Sachverhalt werden neue Kredite auf die Girokonten der Kreditnehmer ausgezahlt (2 Mio. €), ein Teil der Forderungen muss zu- beziehungsweise abgeschrieben werden (Saldo 600 Tsd. €). Der Jahresüberschuss soll vor der Forderungsbewertung 3 Mio. € betragen, das heißt, er beläuft sich nach der Forderungsbewertung auf 2,4 Mio. €. Unterstellt wird zunächst, dass die 2,4 Mio. € auch liquiditätswirksam sind.

Die Liquiditätswirkung beläuft sich bei direkter Ermittlung wie auch bei der indirekten Berechnung auf 1 Mio. €. Zu den entsprechenden Korrekturen des Jahresüberschusses für die Liquiditätsbetrachtung vgl. Abbildung 5.

Analyse des Forderungsbestands – GuV und Cashflow-Ermittlung

Abbildung 5: Analyse des Forderungsbestands – GuV und Cashflow-Ermittlung - zum Vergrößern bitte anklicken

Umgang mit neutralen Aufwendungen

Eine Position, die gegebenenfalls genauer bezüglich der einzelnen Unterpositionen untersucht werden muss, sind die neutralen Aufwendungen, die sowohl liquiditätswirksame als auch unwirksame Bestandteile beinhalten können und somit gegebenenfalls in der Berechnung berücksichtigt beziehungsweise nicht berücksichtigt werden dürfen.

Bei neutralen Aufwendungen handelt es sich um den Aufwand, der nicht Zweckaufwand, also nicht durch den betrieblichen Leistungsprozess der Periode verursacht oder einmaliger Aufwand außer der Reihe ist. Dabei lassen sich neutrale Aufwendungen folgendermaßen gliedern:

  1. betriebsfremde Aufwendungen, die nicht zum Erreichen des Betriebszwecks, sondern für Nebenzwecke angefallen sind;
  2. außerordentliche Aufwendungen, die einmaligen Charakter haben (zum Beispiel Verluste aus Anlageverkäufen);
  3. periodenfremde Aufwendungen, die zum Beispiel früheren Jahren zugerechnet werden müssten (beispielsweise Steuernachzahlungen).

Hier müssen die einzelnen Unterpositionen betrachtet werden. So sind beispielsweise Spenden liquiditätswirksam und als Cashflow zu berücksichtigen. Verluste aus dem Abgang von immateriellen Vermögenswerten hingegen sind nicht liquiditätswirksam und somit herauszurechnen.

Gleiches gilt für die Bewertung und Veräußerung von Geschäften mit Derivaten.

Umgang mit Abschreibungen

Ein weiterer praxisrelevanter Sachverhalt betrifft die Abschreibungen. Die Abschreibungen müssen jedes Jahr beim Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit korrigiert werden, um Letzteren korrekt darzustellen. In dem Cashflow aus der Investitionstätigkeit müssen die Anschaffungskosten der Investitionen vollständig berücksichtig werden sowie zusätzlich der Zufluss aus deren Abgang.

Mögliche Gewinne oder Verluste aus Veräußerungsvorgängen sind im Jahresüberschuss enthalten und daher ebenfalls zu korrigieren, da diese keinen liquiditätswirksamen Cashflow darstellen.

Nachfolgend wird hierzu ein einfaches Beispiel betrachtet:

Ein Unternehmen erwirbt Anfang Jahr 2020 eine Maschine zu 1 Mio. € Anschaffungskosten, zehn Jahre Nutzungsdauer, lineare Abschreibung, die sie Ende 2024 für 450 T€ veräußert.

Der Veräußerungsverlust beläuft sich auf 50 T€ (= Restbuchwert 500 T€ minus 450 T€). Das Unternehmen erzielt jährlich einen Jahresüberschuss (JÜ), der die jährliche Abschreibung (AfA) in Höhe von 100 T€ beinhaltet. Der Cashflow des Unternehmens wird nach der indirekten Methode ermittelt, indem der JÜ um die AfA erhöht wird, das sind 500 T€ p. a.

Die Kapitalflussrechnung weist 2020 den negativen Cashflow der Investitionstätigkeit mit 1 Mio. €, den Cashflow der laufenden Geschäftstätigkeit mit 500 T€ aus und einen negativen Zahlungssaldo in Höhe von 500 T€ aus (1 Mio. € Investition minus 500 T€ Cashflow der ersten Periode).

Analog stellen sich die Folgeperioden dar. Ende 2024 beträgt der Saldo 1.950 T€ (1, 5 Mio. € aus dem operativen Cashflow und 450 T€ Veräußerungserlös). Diese Größe ergibt sich auch, indem der kumulierte operative Cashflow (5* 500 T€) um den Saldo der Investition (–1 Mio. € + 450 T€) reduziert wird.

Umgang mit Abschreibungen

Abbildung 6: Umgang mit Abschreibungen - zum Vergrößern bitte anklicken

Berücksichtigung von Währungseffekten

Gemäß der Textziffer A2.13 sind bei Instituten die Zahlungsströme in Fremdwährung in der Kapitalflussrechnung zu berücksichtigen, im Gegensatz zu Industrieunternehmen, bei denen gemäß Textziffer 13 lediglich Währungsdifferenzen auszuweisen sind.

Somit sind Effekte aus der Währungsumrechnung, sowohl aus dem Kundenkreditgeschäft als auch aus dem Dienstleistungsgeschäft, einzubeziehen.

Fazit

Die Aufstellung einer Kapitalflussrechnung – die für Kreditinstitute dann nötig ist, wenn eine Kapitalmarktorientierung vorliegt (vgl. 264 Abs. 1 S.2 HGB), zum Beispiel durch eine Refinanzierung über Kapitalmarktinstrumente, beziehungsweise ein Konzernabschluss zu erstellen ist (vgl. § 297 Abs. 1 HGB) –, ist mit einer Vielzahl von Fallstricken verbunden.

Außerdem ist hierzu nur wenig Literatur verfügbar, und eine Vielzahl von Einzelfragen muss institutsindividuell beantwortet werden.

Quellen
  • 1. Vgl. zum Folgenden Deutscher Rechnungslegungs Standard Nr. 21 (DRS 21) Kapitalflussrechnung in der gültigen Fassung vom 27. Juli 2023 (BAnzAT 27.07.2023 B3). Standards, die vom Bundesministerium der Justiz nach § 342 Abs. 2 HGB bekannt ge¬macht worden sind, gelten als Grundsätze ord¬nungsmäßiger Buchführung der Konzernrechnungslegung. Insofern kommt DRS 21 bei der Erstellung einer Kapitalflussrechnung eine hohe Verbindlichkeit zu.
  • 2. Quelle: Nach Drukarczyk, Finanzierung, 10.Aufl., Stuttgart 2008, S.76.
  • 3. Quelle: Drukarczyk, Finanzierung, 10.Aufl., Stuttgart 2008, S.76.
Simon Feyen

Simon Feyen

ist Betriebswirt und betreut bei msg for banking Kreditinstitute in Projekten zu den Themen der Bank- und Risikosteuerung (insbesondere der Eigengeschäftssteuerung und strategischen Fragestellungen) sowie den zugehörigen aufsichtsrechtlichen Anforderungen und ist darüber hinaus als Referent tätig.

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