Fachartikel

Green IT: Benchmarking zur Beurteilung von Energie- und CO₂-Effizienz

NEWS 02/2024

Rechenzentren weltweit sind für rund 1 % aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dieser Artikel untersucht, ob es einen Unterschied zwischen den Betriebsarten On-Premise und Cloud gibt und stellt ein Benchmarking-Verfahren zur Bewertung der Energie- und CO₂-Effizienz der Kalkulationssoftware MARZIPAN vor.

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Green IT Benchmarking zur Beurteilung von Energie- und CO₂-Effizienz, NEWS 02/2024

Einführung

Die Digitalisierung lässt den Bedarf an Rechen- und Netzwerkleistung unaufhaltsam steigen. Bereits heute sind Rechenzentren weltweit für rund 1 % aller Treibhausgasemissionen verantwortlich.1 Generell wird die eingesetzte Hardware zwar immer effizienter, aber gibt es auch einen Unterschied zwischen den Betriebsarten On-Premise und Cloud? Um diese Frage zu beantworten, hat der Autor dieses Artikels, Manuel Maier, im Rahmen seiner Bachelorarbeit in Zusammenarbeit mit msg for banking ein Benchmarking-Verfahren zur Bewertung der CO₂- und Energieeffizienz der Kalkulationssoftware MARZIPAN entwickelt.

Motivation

Mit der fortschreitenden Digitalisierung über alle Branchen hinweg steigt auch der Bedarf an leistungsfähiger Hardware, Backend-Services und Netzwerktechnik. Laut Internationaler Energieagentur hat sich die Zahl der Internetnutzer seit 2010 mehr als verdoppelt, während sich der weltweite Internetverkehr im selben Zeitraum mehr als verzwanzigfacht hat. Abbildung 1 verdeutlicht die Größenordnung der weltweit zu bewältigenden Rechenlasten.

Darstellung: Jährlicher Stromverbrauch ausgewählter G8-Nationen im Jahr 2021 im Vergleich zum jährlichen Stromverbrauch aller Rechenzentren weltweit im Jahr 2022, ohne Berücksichtigung des Energieverbrauchs durch Krypto-Mining, NEWS 02/2024

Abbildung 1: Jährlicher Stromverbrauch ausgewählter G8-Nationen im Jahr 2021 im Vergleich zum jährlichen Stromverbrauch aller Rechenzentren weltweit im Jahr 2022, ohne Berücksichtigung des Energieverbrauchs durch Krypto-Mining.

Würde man alle Rechenzentren der Welt zusammenfassen, wäre der Stromverbrauch vergleichbar mit dem jährlichen Stromverbrauch einiger G8-Staaten, nämlich 430 Terawattstunden.2,3 Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels ist es wichtig, Nachhaltigkeit und CO₂-Effizienz als Qualitätskriterium für Soft- und Hardware zu priorisieren. Und da die Reduzierung von CO₂ im Kontext von Soft- und Hardware eng mit der Einsparung von Energie verbunden ist, kann durch Effizienz auch bares Geld gespart werden.

Konzeption und Ergebnisse

Zur Bewertung der Energie- und CO₂-Effizienz der Softwarelösung MARZIPAN im On-Premise- und Cloud-Betrieb wurde ein Benchmarking-Verfahren entwickelt.

Dabei sollte bei der Konzeption der Benchmark darauf geachtet werden, möglichst realistische Szenarien zu verwenden, da nur so die Einsparpotenziale im realen Nutzeralltag aufgezeigt werden können.

Im Beispiel von MARZIPAN ist dies ein Systemtest, der Bestandteil der Qualitätssicherung in der Entwicklung ist. Dieser Systemtest ist codebasiert und klickt sich als fiktiver Anwender durch MARZIPAN, um die Integration der einzelnen Anwendungen zu überprüfen. Daher eignet er sich hervorragend als deterministische Benchmark zur Erzeugung von Last.

Für alle Installationstypen wurde eine auf Docker-Containern basierende Installation von MARZIPAN getestet. Zusätzlich wurde für die On-Premise-Installationen auch eine auf App-Server basierte Installation mit IBM WebSphere getestet.

Der mediane Stromverbrauch der Installationstypen Cloud vs. On-Premise der Kalkulationssoftware MARZIPAN. Die Cloud-Installation ist deutlich energieeffizienter als die On-Premise-Installation, die im Mittel 111 % bis 178 % mehr Energie verbraucht, NEWS 02/2024

Abbildung 2: Der mediane Stromverbrauch der Installationstypen Cloud vs. On-Premise der Kalkulationssoftware MARZIPAN. Die Cloud-Installation ist deutlich energieeffizienter als die On-Premise-Installation, die im Mittel 111 % bis 178 % mehr Energie verbraucht.

Wie Abbildung 2 zeigt, schneidet die Cloud-Installation von MARZIPAN deutlich energie- und damit CO₂-effizienter ab als die On-Premise-Installationen. Es ist auch zu erkennen, dass Docker einen kleinen, aber signifikanten Einfluss auf den Stromverbrauch haben kann, wie die On-Premise-Installation 1 zeigt. Aber wenn die Cloud auf Docker basiert, warum schneidet sie dann so signifikant besser ab?

Während Docker bei On-Premise-Installationen lediglich eine flexiblere Installation auf eigener Hardware ermöglicht, ist Docker in der Cloud der Schlüssel, um flexible und hyperskalierbare Computing-Umgebungen zu nutzen und die Vorteile der Cloud voll auszuschöpfen.

Synergieeffekte machen die Cloud zum Effizienzgewinner

Die Cloud bietet durch Synergieeffekte viele Vorteile gegenüber dem On-Premise-Betrieb. Ein zentraler Ansatz ist dabei die flexible Skalierung der Rechenleistung. Generell gilt, dass die Hardware am effizientesten ist, wenn sie nahe an der maximalen Auslastung betrieben wird. Umgekehrt ist die Hardware, die nur im Leerlauf betrieben wird, am ineffizientesten, da für einen bestimmten Input an Energie kaum Rechenleistung erbracht wird. Hier kann in Rechenzentren die Auslastung der Server gezielt gesteuert werden, indem nicht optimal ausgelastete Systeme mit anderen Servern konsolidiert werden und die dadurch frei werdende Hardware heruntergefahren wird, um eine maximale Effizienz zu erreichen.

Darüber hinaus kann auch die verwendete Prozessorarchitektur eine wichtige Rolle spielen. Nachdem ARM-Prozessoren lange Zeit nur in Low-Power-Geräten wie Smartphones eingesetzt wurden, hält die ARM-Architektur seit dem Apple-M1-Chip wieder Einzug in Laptops, PCs und auch Server. Die kostenintensive Eigenentwicklung von ARM-Prozessoren durch die beiden größten Cloud-Anbieter AWS und Azure mit AWS Graviton und Azure Cobalt 100 ist der jüngste Be- weis dafür, dass sich die Branche weg von x86-Prozessoren und hin zu energieeffizienten ARM-Prozessoren bewegt.4, 5

Ein weiterer Ansatz zur Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks ist Carbon Aware Computing6, das heißt die Skalierung und Priorisierung von Rechenlasten auf Basis der aktuellen Nachhaltigkeit. Beispiele hierfür sind das Scheduling und die geografische Verlagerung von Rechenlasten.

Beim Scheduling können zeitunkritische Berechnungen bewusst in Zeiten gelenkt werden, in denen ein hoher Anteil an grünem Strom zur Verfügung steht, also beispielsweise eine Verschiebung in die Mittagsstunden, wenn die Effizienz von Photovoltaikanlagen am höchsten ist.

Bei der geografischen Verschiebung handelt es sich in der Regel um zeitkritische Rechenlasten, die sofort abgearbeitet werden müssen. In diesem Fall wird die Rechenlast in einem Rechenzentrum ausgeführt, das aufgrund günstigerer Wetterbedingungen oder all- gemeiner Standortvorteile eine bessere CO₂-Bilanz aufweist. Ein Beispiel hierfür ist die Verlagerung einer Rechenlast in die skandinavischen Länder, die durch Wasser- und Windkraft einen Großteil ihres Stroms aus erneuerbaren Energien gewinnen – und das Tag und Nacht.

Auch Software muss grün werden

Neben allen betrachteten Maßnahmen zur Effizienzsteigerung durch Hardware und Heuristiken birgt auch die betriebene Software selbst ein enormes Potenzial zur Steigerung der Energie- und CO₂-Effizienz. Beispielsweise kann ein Webserver einen erheblichen Einfluss auf die Performance und Energieeffizienz von Anwendungen haben.7 Auch die Wahl effizienter Algorithmen ist von großer Bedeutung, denn wenn der Code an sich ineffizient ist, sind die Vorteile der Cloud ab einem gewissen Punkt hinfällig. Darüber hinaus zeigt sich, dass auch die Wahl der Programmiersprache und des Compilers einen deutlichen Einfluss auf den Energieverbrauch der Anwendungen hat.8

Fazit

Die Herausforderungen der heutigen Zeit erfordern kreative und effiziente Lösungen. Die Cloud spielt dabei eine wichtige Rolle und bietet mit flexibler Hard- ware-Skalierbarkeit und Carbon Aware Computing innovative Lösungen zur Steigerung der Energie- und CO₂-Effizienz.

Mit MARZIPAN SaaS bietet msg for banking eine cloudnative Installation von MARZIPAN an, die die Vorteile der Cloud hinsichtlich Effizienz, Skalierbarkeit und Flexibilität voll ausschöpft. Generell sollte Nachhaltigkeit als festes Qualitätskriterium von Software und Betrieb aufgenommen und anhand von Meilensteinen überwacht und verbessert werden.

Wie ein solches Monitoring aussehen kann, zeigt die Konzeption einer Benchmark auf Basis vorhandener Ressourcen, die – einmal etabliert – regelmäßig durchgeführt werden kann.

Quellen
Adrian Kast

Adrian Kast

hat einen M.Sc. in Elektro- & Informationstechnologie und ist bei msg for banking als Senior IT Consultant im Bereich MARZIPAN tätig. Dabei liegt sein Fokus auf den Themen Softwareentwicklung, Webtechnologien, Softwarearchitektur und Developer Experience.

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