Distributed Agile. Wie Banken die agile Transformation von verteilten Teams aktiv gestalten können
Die Erwartung der Kunden ist hoch: Sie wünschen sich innovative Produkte mit kurzer Time-to-Market bei gleichzeitig hoher Qualität. Der Schlüssel, um in diesem Marktumfeld wettbewerbsfähig zu bleiben, ist eine agile Produkt- und Softwareentwicklung. Die agile Transformation ermöglicht Banken durch kürzere Innovationszyklen eine höhere Geschwindigkeit bei der Auslieferung von Banking-Services und durch schnelle Feedbackzyklen eine höhere Qualität.
- Agilität, der Schlüssel für Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit
- Reifegradbestimmung und Entwicklung verteilter agiler Teams
- Herausforderungen im verteilten Kontext erkennen
- Den agilen Reifegrad von verteilten Projektteams messbar machen, um die agile Transformation zu beschleunigen
- Schritt 1 und 2: Reifegradbestimmung und Entwicklung des Zielbilds über den Distributed Agile Compass
- Schritt 3: Anwendung des Distributed Agile Cookbook
- Schritt 4: Monitoring über KPIs
- Kontinuierlich und teamübergreifend Mehrwert schaffen
- Durch „Distributed Agile Transformation“ das Bewusstsein über den agilen Reifegrad schärfen und verteilte Teams entwickeln
- Quellen
Agilität, der Schlüssel für Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit
Deutsche Geldinstitute stehen unter einem enormen Veränderungsdruck. Neben den Folgen der langen Niedrigzinsphase und rückläufigen Erträgen alarmiert Banken besonders der steigende Innovationsdruck durch die fortschreitende Digitalisierung und das Eintreten neuer Player in den Markt. Customer Centricity ist, verstärkt durch die Open-Banking-Bewegung, ein Kernwert für FinTechs und BigTechs. Der Fokus liegt auf kunden- zentrierten, digitalen Services, die überall und jederzeit konsumierbar sind. Die Erwartung der Kunden an die angebotenen Dienstleistungen ist hoch: Sie wünschen sich innovative Produkte mit kurzer Time-to-Market bei gleichzeitig hoher Qualität. Der Schlüssel, um in diesem Marktumfeld wettbewerbsfähig zu bleiben, ist eine agile Produkt- und Softwareentwicklung. Die agile Transformation ermöglicht Banken durch kürzere Innovationszyklen eine höhere Geschwindigkeit bei der Auslieferung von Banking-Services und durch schnelle Feedbackzyklen eine höhere Qualität.
Reifegradbestimmung und Entwicklung verteilter agiler Teams
Viele Banken haben diese Herausforderung erkannt und bereits erste Erfahrungen mit agilen Arbeitsweisen gesammelt – oder planen, dies zeitnah nachzuholen.1 Doch die agile Transformation wird von einer weiteren Herausforderung begleitet: Die Corona-Pandemie zwang Banken dazu, ihre Projektteams schlagartig auf Remote-Teams umzustellen. Verteiltes Arbeiten an sich ist nicht neu. Auch vor Corona saßen Kolleginnen und Kollegen, mit denen man eng zusammenarbeitete, in einem anderen Raum, in einem anderen Stockwerk oder gar an einem anderen Standort. Die pandemische Lage hat die Verteilung, besonders in IT-Projekten, weiter verstärkt. Die Umstellung erfolgte abrupt und viele Aspekte der täglichen Zusammenarbeit mussten sich erst einpendeln. Spontane fachliche Abstimmungen, Code-Reviews/Pair-Programming und Team-Meetings finden nach wie vor statt, aber auf eine andere Art und Weise. Wichtig dabei: Verteiltes Arbeiten beginnt, sobald eine Person nicht in demselben Raum arbeitet oder remote an Meetings teilnimmt. In diesem Fall sprechen wir von einer minimalen Verteilung. Es muss beispielsweise sichergestellt werden, dass sämtliche Mitglieder im Team, unabhängig von ihrem Standort, die gleiche Chance zur Teilhabe an der Diskussion haben und Informationen gleichermaßen zugänglich sind.
Die meisten IT-Projekte haben unter Corona-Bedingungen vollständig verteilt gearbeitet. Das heißt, dass alle von ihren eigenen Standorten, meist dem Homeoffice, aus tätig waren (Abbildung 1).
Abbildung 1: Die unterschiedlichen Level des verteilten Arbeitens
Verteiltes Arbeiten bringt eine Umstellung der Arbeitsweisen, der Kommunikation und der Prozesse mit sich. Doch gerade in agilen IT-Projekten wird schnell deutlich, dass eine Umstellung auf Remote-Arbeit einem wichtigen agilen Prinzip widerspricht: der Face-to-Face-Kommunikation. Die fehlende Präsenz im agilen Entwicklungsprozess führt zu Reibungsverlusten, die sich negativ auf die Qualität auswirken können – von der Entwicklung von User Storys bis hin zum Code. Es wächst das Risiko, dass sich an den verschiedenen Standorten unterschiedliche agile Arbeitsweisen und Prozesse etablieren. Darüber hinaus sorgen Mängel in der Teamzusammensetzung und -struktur, ebenso wie in der virtuellen Führung, vermehrt zu Ineffizienzen. Die Folgen sind eine verminderte Qualität der Artefakte und ein erhöhter Planungs- und Entwicklungsaufwand – und somit steigende Kosten und eine längere Time-to-Market.
Herausforderungen im verteilten Kontext erkennen
Um den Erfolg der agilen Transformation sicherzustellen, müssen verteilungsspezifische Herausforderungen berücksichtigt werden. Die sechs wesentlichen beziehen sich auf das Team und die Teamführung, die Arbeits- und Entwicklungskultur sowie die Kommunikation und Kollaboration innerhalb und zwischen verteilten agilen Teams:
- Crossfunktionale Teams aufsetzen und breites Wissen bei den Teammitgliedern fördern und aufbauen
- Mit erfolgreicher virtueller Führung Vertrauen und starken Teamspirit aufbauen
- Eine gemeinsame Kommunikationskultur schaffen, in der direkt, schnell und spontan kommuniziert und zusammengearbeitet wird
- Standortübergreifende, transparente Qualitätsstandards sicherstellen
- Endbenutzer virtuell erfolgreich beteiligen
- Meetings und Workshops intelligent vorbereiten und effizient sowie zielgerichtet gestalten
Den agilen Teams sind die eigenen Herausforderungen der Verteilung bewusst, doch es fehlt an einer strukturierten Vorgehensweise, um diesen und den drohenden Reibungsverlusten entgegenzuwirken. Um gezielt Maß- nahmen einzuleiten, die sich auf die entscheidenden Hemmnisse fokussieren, müssen diese zuerst identifiziert werden. Zum Beispiel:
- Hakt die virtuelle Zusammenarbeit oder Kommunikation innerhalb des Teams und wenn ja, in welchem Maße?
- Zu welchem Grad unterstützt der aktuelle Teamaufbau die Effektivität und Innovationskraft der verteilten Arbeit innerhalb und zwischen den Projektteams?
- Inwieweit hat sich die Arbeits- und Entwicklungskultur auf das verteilte Arbeiten eingestellt?
Um verteilte, agile Projekte erfolgreich zu gestalten und die agile Transformation zu meistern, ist es unabdingbar, nachhaltig zu agieren. Doch wie ist das umsetzbar?
Den agilen Reifegrad von verteilten Projektteams messbar machen, um die agile Transformation zu beschleunigen
Das iterative Vorgehen der „Distributed Agile Transformation“ nutzt die beiden Assets Distributed Agile Compass und Distributed Agile Cookbook. Der ganzheitliche Ansatz führt in vier Schritten zu einer kontinuierlichen Erhöhung des Reifegrads (siehe Abbildung 2).
Distributed Agile Compass
Der Distributed Agile Compass ist ein von msg entwickeltes Tool zur Messung des verteilten agilen Reifegrads und zur Identifikation von Entwicklungs- potenzialen in verteilten Projektteams. Dazu nutzt es acht speziell entwickelte Prinzipien, anhand derer sich das Team mithilfe des Agile Master oder Agile Coach selbst bewertet.
Distributed Agile Cookbook
Das Distributed Agile Cookbook ist eine Sammlung von Methoden, Leitfäden und Best Practices, die die Anwender, beispielsweise Agile Coach, Product Owner etc., dabei unterstützt, die spezifischen Herausforderungen in verteilten, agilen Projektteams gezielt anzugehen.
Abbildung 2: Vier Schritte zur Steigerung des verteilten agilen Reifegrads
Schritt 1: Mithilfe des Distributed Agile Compass wird der aktuelle verteilte agile Reifegrad von Projektteams ermittelt (Istzustand).
Schritt 2: Darauf aufbauend wird durch den Distributed Agile Compass das Weiterentwicklungspotenzial und das konkrete Zielbild für die nächste Iteration formuliert. Zudem wird der Fokus für die zu treffenden Maß- nahmen festgelegt (Sollzustand).
Schritt 3: Das Distributed Agile Cookbook unterstützt dabei mit „Rezeptkarten“, Maßnahmen zu den priorisierten Ansatzpunkten aufzusetzen. Das können beispielsweise Checklisten, Leitfäden oder Best-Practice- Sammlungen sein.
Schritt 4: Der Erfolg der getroffenen Maßnahmen wird anhand von ausgewählten KPIs gemessen. Im Vordergrund stehen Time-to-Market und Current Value.
Schritt 1 und 2: Reifegradbestimmung und Entwicklung des Zielbilds über den Distributed Agile Compass
Der verteilte agile Reifegrad wird durch die Bewertung von acht dedizierten Distributed-Agile-Prinzipien gemessen. Die Bewertung findet im Rahmen von Einzelinterviews oder Workshops (Team-Selbstbewertung) statt und stellt den Teammitgliedern pro Prinzip zwei konkrete Fragen: Inwiefern trifft das genannte Prinzip auf das Team zu? Und welcher Grad ist für das Team mittelfristig erreichbar?
Eine anschauliche und differenzierte Beschreibung der Prinzipien einschließlich Pro- und Kontra-Indikatoren unterstützt die Teammitglieder bei ihrer Einschätzung der Istsituation und des anzustrebenden Sollzustands. Die durch die Gegenüberstellung ermittelten Entwicklungspotenziale werden durch die Darstellung in einem Spinnendiagramm optisch deutlich (Abbildung 3). Damit die in der Folge zu ergreifenden Maßnahmen nicht zu stark mit dem Projektalltag interferieren und das Team nicht kapazitativ überfordert wird, sollte der Fokus der Maßnahmen auf zwei bis drei Prinzipien pro Iteration gelegt werden.
Abbildung 3: Der verteilte agile Reifegrad
Schritt 3: Anwendung des Distributed Agile Cookbook
Der dritte Schritt der Iteration befasst sich mit der Auswahl und Durchführung entsprechender Maßnahmen. An dieser Stelle kommt das Distributed Agile Cookbook ins Spiel. Es dient als Projektbeschleuniger, indem es dem Team eine Sammlung an Handlungsempfehlungen zu den Herausforderungen in verteilten agilen Projekten anbietet. Im Mittelpunkt steht dabei die Cookbook- Matrix, die die bestehenden Herausforderungen in einer zeitlichen Dimension verortet und den Kategorien Team, Arbeits- und Entwicklungskultur sowie Kommunikation und Kollaboration zuordnet (siehe Abbildung 4).
Die zeitliche Dimension orientiert sich dabei anschaulich am Prozess des Kochens, von der Sichtung der Rezepte über das Kochen und Servieren bis zum Abwaschen. Ins Projekt übersetzt, entsprechen diese Phasen der Erstellung einer Vision des Backlogs und der Roadmap, der Synchronisierung der Teams, dem Umsetzen und Testen sowie der Auslieferung von Produktartefakten und letztendlich dem Abbauen von technischen Schulden. Die Cookbook-Matrix stellt der Anwenderin beziehungsweise dem Anwender dann Rezeptkarten zu den aufgeführten Herausforderungen zur Verfügung.
Um beispielsweise die virtuelle Führung erfolgreich zu gestalten und einen vertrauensvoll starken Teamspirit aufzubauen (DA-2, Abbildung 4), stellt das Distributed Agile Cookbook drei Rezeptkarten zur Verfügung. Eine Methodensammlung zur Gestaltung von Team-Forming- Workshops (DA-2.1, Abbildung 4), eine Sammlung von Ideen und Konzepten zum Teambuilding von verteilten Teams (DA-2.2, Abbildung 5) sowie eine Übersicht über kritische Faktoren zur erfolgreichen Führung von virtuellen Teams – einschließlich Handlungsempfehlungen und Good Practices (DA-2.3, Abbildung 4).
Abbildung 4: Cookbook-Matrix
Schritt 4: Monitoring über KPIs
Der vierte entscheidende Schritt zum Erfolg ist das Monitoring der Maßnahmen über ausgewählte KPIs. Es wird zwischen KPIs, die den Marktwert des Produkts bewerten, und solchen, die die organisatorischen Fähigkeiten des Teams messen, unterschieden.2 Der Marktwert enthält den Wert, der gegenwärtig von virtuellen Teams – einschließlich Handlungsempfehlungen und Good Practices geliefert wird (Current Value), und den zusätzlichen potenziellen Wert, der abgeschöpft werden könnte (Unrealized Value). Für das Monitoring des Marktwerts in IT-Projekten bietet sich beispielsweise eine Zufriedenheitsbefragung der eigenen Teammitglieder, des Endkunden sowie der Investoren an. Ein weiterer beliebter Indikator zur Bestimmung des geschaffenen Marktwerts ist der empfundene Kunden- nutzen für bestehende und neu releaste Produkt-Features. Neben dem Marktwert werden die organisatorischen Fähigkeiten betrachtet. Diese umfassen zum einen den Zeitraum, bis neuer Wert für den Kunden geschaffen und ausgeliefert werden kann (Time-to-Market), zum anderen die Effektivität der Organisation in der Steigerung von Wert für den Kunden (Ability to Innovate). Bezogen auf IT-Projekte lässt sich die Time-to-Market beispielweise über ein Monitoring der Release-Häufigkeit oder der mittleren Dauer der Umsetzung von der Idee (Aufnahme und Priorisierung im Backlog) bis zum Release messen.
Kontinuierlich und teamübergreifend Mehrwert schaffen
Die Anwendung der „Distributed Agile Transformation“ empfiehlt sich in einer dreimonatigen Iteration, um einerseits das Team nicht mit Meetings und Maßnahmen aus dem Rhythmus zu bringen und anderseits einen Zeitraum einzuräumen, nach dem sich der Einfluss der Maßnahmen messen lässt. Jede Iteration beginnt mit der erneuten Ermittlung des verteilten agilen Reifegrads.
Bewusstsein über den verteilten agilen Reifegrad ist für einen teamübergreifenden Ansatz und damit für die Nutzung von Synergieeffekten zwischen Teams und Einheiten innerhalb einer Organisation wichtig. Die Anwendung der „Distributed Agile Transformation“ fördert dies auf zweierlei Weise: Im Rahmen der Reifegradbestimmung sowie bei der Entwicklung des Zielbilds lassen sich teamübergreifende oder domänenorientierte Workshops durchführen, um im Wesentlichen die Time-to-Market zu verkürzen und den Current Value zu erhöhen. So entsteht ein Informationsaustausch über Prozesse, Best Practices und Entwicklungspotenziale über Teamgrenzen hinweg. Und bei der Anwendung der Transformation über mehrere Projektteams hinweg lassen erkannte Stärken und Schwächen Rückschlüsse auf strukturelle Probleme in der Organisation zu.
Durch „Distributed Agile Transformation“ das Bewusstsein über den agilen Reifegrad schärfen und verteilte Teams entwickeln
Die Open-Banking-Bewegung ist ein Auslöser, der das Eindringen von FinTechs und BigTechs in die Finanzindustrie verstärkt. Sie bestechen durch innovative Produkte mit hoher Customer Experience, wodurch sich auch das Verhalten und die Bedürfnisse der Kunden verändert hat. Der Schlüssel, um als Bank in diesem kompetitiven Markt bestehen zu können, ist Agilität.
Agile Softwareentwicklungsteams in der IT oder das Etablieren von agilen crossfunktionalen Projektteams stellen mögliche Startpunkte der notwendigen agilen Transformation von Banken dar. Jene Teams, die auch über mehrere Standorte hinweg erfolgreich agil arbeiten und sich kontinuierlich weiterentwickeln, sind dazu in der Lage, in kurzen Innovationszyklen und mit hoher Geschwindigkeit qualitativ hochwertige Services oder Produkte zu entwickeln. Um die agile Transformation von Teams erfolgreich zu gestalten, sind einerseits verteilungsspezifische Herausforderungen zu meistern und andererseits ist Bewusstsein über den eigenen agilen Reifegrad zu schaffen. Vielen Teams ist jedoch weder der eigene verteilte, agile Reifegrad bekannt noch werden jene Herausforderungen in verteilten, agilen Teams gezielt bewältigt.
Die agile Transformation von Teams gelingt nur durch ein nachhaltiges Vorgehen. Der msg-Ansatz „Distributed Agile Transformation“ setzt auf eine iterative, kontinuierliche Weiterentwicklung von verteilten agilen Projektteams. Banken müssen die Chance nutzen und die agile Transformation aktiv gestalten.




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