Cloud Banking: Business Case und Change-Management (NEWS 03/2022)
Nachdem sich der NEWS-Artikel „Banken auf dem Weg in die Cloud“ in der NEWS-Ausgabe 02/2022 bereits mit dem Thema digitale Transformation in die Cloud beschäftigt hat, vertieft dieser Beitrag die beiden Thematiken Business Case und Change-Management. Denn neben den technischen Aspekten spielt gerade für Entscheider die betriebswirtschaftliche Sicht eine große Rolle.
Nachdem sich der NEWS-Artikel „Banken auf dem Weg in die Cloud“1 in der NEWS- Ausgabe 02/2022 bereits mit dem Thema digitale Transformation in die Cloud beschäftigt hat, vertieft dieser Beitrag die beiden Thematiken Business Case und Change-Management. Denn neben den technischen Aspekten spielt gerade für Entscheider die betriebswirtschaftliche Sicht eine große Rolle.
Motivation
Zu Anfang der Überlegungen steht die Frage: Warum überhaupt Cloud?
Die Finanzindustrie wird angetrieben durch das Streben nach Gewinn auf einem akzeptablen Risikoniveau. Das erreicht sie durch die Bereitstellung zunehmend globaler Services rund um die Uhr und durch eine her- ausragende Customer Experience. Der Einsatz von Technologie als Enabler muss also die Frage nach dem betriebswirtschaftlichen Nutzen beantworten. Reduzierung und Flexibilisierung von Kosten sowie die Erhöhung der Sicherheit stehen daher auf der Pyramide der Motivationen sehr weit oben (vgl. Abbildung 1).
Wenn eine Bank sich nicht selbst um den technischen Betrieb eines Rechenzentrums kümmern muss, kann sie sich stärker auf die eigentliche Wertschöpfung konzentrieren. Und Aufgaben wie physische Zugangskontrolle, Brandschutz, Datenschutz, Cyber Security, Back-ups und Sicherstellen einer Hochverfügbarkeit können in der Regel kostengünstiger und besser von Unternehmen erfüllt werden, zu deren Kerngeschäft diese Aufgaben gehören. Die flexible Zu- und Abschaltung von Ressourcen bei Beschäftigungsschwankungen unterstützt den Trend, CapEx (Capital Expenditures, Investitionsausgaben) durch OpEx (Operational Expenditures, Betriebsausgaben) zu ersetzen.
Abbildung 1: Motivationen für Cloud Banking
Dabei müssen einige Rahmenbedingungen beachtet werden, wie etwa die Datenhaltung im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder EU-Raum, das Auslagerungsmanagement, die BAIT- und MaRisk-Konformität oder die Abmilderung des Risikos eines Vendor Lock-ins. Mit einem geeigneten Instrumentenkasten sind diese allerdings durchaus beherrschbar.
Neue Geschäftsmodelle und Strategieentwicklung
Zunehmend in den Vordergrund rückt im Cloud Banking aber jüngst die Motivation, die Innovationskraft eines Finanzinstituts durch die damit verbundene Agilität und horizontale beziehungsweise vertikale Skalierbarkeit zu stärken. Cloud Banking kann dadurch zu einem entscheidenden Faktor für die Zukunftssicherung im derzeit stattfindenden disruptiven Wandel der Branche werden.
Ein Beispiel ist die verstärkte Ausdifferenzierung der Dimensionen Vertriebs-, Steuerungs- und Produktionsbank. Cloud Banking unterstützt die Bereitstellung von Produktabschlussmöglichkeiten, Transaktionsleistungen und Liquiditäts- beziehungsweise Risikomanagement im industriellen Maßstab. Die Anforderungen an Ubiquität und Verfügbarkeit 24/7 steigen ebenso wie die dafür notwendigen Innovationen. White-Label-Banking stellt in diesem Zusammenhang eine besondere Ausprägung der Ausdifferenzierung dar.
Auch die intensivere Zusammenarbeit mit Branchenpartnern (FinTechs, RegTechs) sowie branchenüber- greifend mit Industrie, Handwerk und Handel erfordert eine zunehmende Interoperabilität und Durchlässigkeit der beteiligten IT-Systeme – bei gleichzeitig gestiegenen Sicherheitsbedürfnissen. Deutlich wird dies am Gedanken der Plattformen und Ökosysteme, beispielsweise zu den Themen Mobilität, Bauen und Wohnen oder Gesundheit. Finanzdienstleistungen werden hier direkt am Point of Sale in die Plattform eingebunden und abgewickelt. Modulare Softwarekomponenten müssen nahtlos mit den Komponenten anderer Beteiligter auf der Plattform zusammenarbeiten, etwa über API-Calls. Hierzu wurden schon im NEWS-Artikel „Embedded Finance – Chancen und Risiken für die Geschäftsmodelle von Finanzinstituten“2 in der Ausgabe 01-2022 einige Überlegungen vorgestellt.
Der Einsatz künstlicher Intelligenz im Banking ist ein weiteres Beispiel für den Nutzen der Cloud. Die Cloud stellt skalierbare Hardware-Ressourcen für das Training und Testing von KI-Modellen bereit. Darüber hinaus erlauben die KI-Frameworks und KI-Entwicklungstools der Hyperscaler eine schnelle Umsetzung. Es muss also das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden. Voraussetzung dafür ist aber eine gewisse Toolkompetenz, Das heißt, ein Verständnis für die Einsetzbarkeit und Wirkung der verwendeten Komponenten.
Die Stärkung der Innovationskraft eines Instituts wird unter anderem durch kurze Time-to-Market-Zyklen, Agilität in der Softwareentwicklung, im Deployment und im Projektmanagement erreicht. Dabei unterstützt die Cloud, weil man so technologisch immer mehr auf erprobte Tools und Komponenten zurückgreifen kann. In Form von Managed-Backing-Services werden zunehmend auch Teile der Softwarefunktionalität direkt zur Laufzeit bereitgestellt. Das erlaubt die Konzentration auf den fachlichen Teil der Anwendung und schnelle Realisierungszeiträume.
Diese Beispiele zeigen, dass Cloud Banking nicht nur einen technologischen, sondern vor allem einen strategischen Aspekt hat. Daher muss die Cloud-Strategie Teil der allgemeinen jährlichen Strategieentwicklung sein und kann als Enabler für Zukunftsfragen dienen. Ein paar Beispiele:
- Mit welchen neuen Produkten und Services wollen wir in den nächsten Jahren die Ertragsbasis sichern?
- Wie verbessern wir die Customer Experience?
- Wie wollen wir mit Partnern branchenübergreifend zusammenarbeiten?
- Wie stellen wir uns auf zukünftige technologische Entwicklungen wie Crypto-Assets, IoT-Banking oder Metaverse ein?
Total Cost of Ownership
Die eingangs erwähnte Frage nach dem betriebswirtschaftlichen Nutzen muss auf der Kostenseite durch eine fundierte und nachvollziehbare Kalkulation des Business Cases über mehrere Perioden hinweg beantwortet werden. Technologisch führen viele Wege nach Rom. Die Palette der Cloud-Services bei den großen Hyperscalern ist sehr breit und bietet verschiedene Lösungen und Betriebsvarianten – je nach verarbeiteten Datenmengen, Verfügbarkeit, Latenz oder IT-Sicherheit.
Abbildungen 2a & 2b: Prinzipdarstellung – Entwicklung der Kostenbestandteile bei Migrationsprojekten
An dieser Stelle müssen sich technologisches und betriebswirtschaftliches Know-how ergänzen. Die technische Seite ist gefordert, Umsetzungsvorschläge zu unterbreiten, die zukunftsfähig und skalierbar sind sowie den Anforderungen an die Service Levels und die Sicherheit genügen. Andererseits müssen diese aber kostenoptimal sein. Die betriebswirtschaftliche Seite muss daher das nötige Basiswissen haben, um verschiedene technische Varianten beurteilen zu können und die Lösungsvorschläge in Bezug auf ihren Beitrag zur Umsetzung der Cloud-Strategie abzugleichen.
Die Abbildungen 2a und 2b zeigen im Prinzip den typischen Verlauf der Kostenentwicklung für Cloud-Projekte. Tendenziell werden die On-Premise-Kosten zurückgehen, denn das ist ja eines der Ziele. Gegenläufig dazu werden die in der Regel mengen- oder transaktionsbasierten Kosten für die Consumption von Cloud-Services über die Zeit hinweg zunächst ansteigen, sich dann aber auf einem etwas niedrigeren Niveau einpendeln. Letzteres hängt damit zusammen, dass im IT-Betrieb eine Erfahrungskurve durchlaufen wird, die es erlaubt, Services kostenmäßig zu optimieren.
In einer Übergangsphase werden die der Migration zuordenbaren Kosten zunächst sogar zu höheren IT-Kosten führen, allerdings nur vorübergehend und projektbedingt. Daher sollten zum einen Ansatzpunkte für Effizienzgewinne gegenüber On-Premise-Lösungen identifiziert werden und zum anderen der Business Case auch nachweisen können, dass der Übergang zur Cloud ceteris paribus auch kostengünstiger ist.
In der Praxis dürfte aber die bestehende Funktionalität nicht einfach eins zu eins übertragen werden. Einiges wird obsolet, dafür kommen Anforderungen aus neuen Geschäftsmodellen hinzu. Darüber hinaus wird kaum ein Institut in einem großen Schwung auf cloud native oder cloud first umstellen. Praxisrelevanter wird sein, dass zunächst einzelne Funktionalitäten übertragen werden oder Neuentwicklungen in der Cloud stattfinden. Auch hinsichtlich der Cloud-Betriebsvarianten (vgl. Abbildung 3) ist das Szenario eines stufenweisen Übergangs praxisrelevanter. Anders sieht es bei Neugründen aus. Sie können in der Tat in einem Greenfield-Ansatz von vorne- herein auf die Cloud setzen.
Die großen Hyperscaler verfügen alle über Onlinerechner, mit denen man die Kosten in Abhängigkeit verschiedener Parameter kalkulieren kann. Solche Parameter sind beispielsweise der gewünschte Cloud-Standort, die Anzahl und Leistungsfähigkeit der CPU-Rechenkerne, der Speicherplatz für Data Storage oder die Anzahl der User- Zugriffe auf die Applikation. Auch die Entscheidung, ob ein Service ständig verfügbar sein muss oder nur bei Bedarf hochgefahren wird, oder ob man Ressourcen exklusiv nutzen will, beeinflussen die Kosten. Bisweilen sind die Onlinerechner recht kleinteilig und unübersichtlich, wenn man sich mit den Parametern in technischer Hinsicht nicht auskennt. Andererseits bieten die Abrechnungsmodelle der Hyperscaler die Möglichkeit, die Cloud Consumption sehr individuell und damit flexibel einzustellen, was ja der Zweck der Variabilisierung von Kosten ist.
Change-Management
Bleibt noch die Frage, was Change-Management mit Cloud zu tun hat. Nun, so einiges: Zunächst einmal stellt das Migrationsprojekt an sich schon einen Wandel dar, der begleitet und zielgerichtet gesteuert werden muss. Es empfiehlt sich, Betroffene anzuhören und deren Vorschläge in die Umsetzung mit einzuarbeiten.
Viel weitreichender sind die Konsequenzen auf die bestehende Aufbau- und Ablauforganisation. Wenn bestehende Geschäftsprozesse auf einmal quer durch die Organisation in der Cloud ablaufen, ändern sich Aufgaben und Verantwortungen der Prozessbeteiligten ganz massiv. Noch virulenter wird der Änderungsbedarf, wenn es um die Einführung neuer Geschäftsmodelle geht. Hier ist die Fähigkeit gefragt, gut mit außenstehenden Partnern zusammenzuarbeiten. Bestimmtes Know-how wird dann teilweise nicht mehr in dem bisherigen Aus- maß benötigt, dafür müssen andere Skills, zum Beispiel in der IT, aufgebaut werden. Veränderungsprozesse rufen bei einigen auch ein gewisses Unbehagen hervor. Man weiß nicht so genau, was auf einen zukommt. Vielleicht wird sich der eigene Arbeitsplatz deutlich ändern oder man gar an Bedeutung und Einfluss verlieren? Hier ist das Management gefragt, eine klare Linie vorzugeben, die Veränderung zu erklären und die Umsetzung aktiv zu begleiten. Das setzt Kenntnisse und Bewusstsein auch im Management über die Cloud voraus. Auch das ist machbar, wenn man sich dem disruptiven Veränderungsdruck in der Branche stellt und das Ganze eher als Chance für die Zukunft versteht.
Die Hyperscaler konzentrieren sich auf ihre Domäne, nämlich die branchenagnostische Bereitstellung von Cloud-Services. Es braucht aber domänenspezifische Fachkenntnisse und Branchenverständnis für eine erfolgreiche Umsetzung, wie es Spezialisten (wie zum Beispiel von msg for banking) mitbringen. Sie verfügen sowohl über technologisches als auch fachliches Know-how genau an der kritischen Schnittstelle und sind daher in der Lage, Cloud-Projekten schneller und erfolgreicher zum Ziel zu verhelfen. Hinzu kommt, dass die Bedürfnisse der Finanzinstitute je nach Institutsgruppe und Geschäftsmodell höchst unterschiedlich sind und in der Cloud-Strategie ihren Niederschlag finden müssen.
Abbildung 3: Cloud-Betriebsvarianten
Fazit
In diesem Beitrag wurden zwei Fragestellungen (Business Case und Change-Management) beleuchtet, die verdeutlichen, das Cloud Banking neben der technologischen Sicht auch eine betriebswirtschaftliche und sogar strategische Bedeutung hat.
Zweifelsohne geht der Trend derzeit in die Cloud, auch in der Finanzwirtschaft. Daher ist es sinnvoll, sich mit der Thematik zu befassen. Zwar ist sie sicherlich manchmal komplex, kann aber mithilfe eines erfahrenen IT-Integrations- und Beratungsunternehmens umgesetzt werden und so einen Beitrag zur Senkung von Kosten, aber vor allem zur Zukunftssicherung eines Finanzinstituts leisten.
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