IRRBB und CSRBB: Ein Blick auf die neuen Leitlinien der EBA
Als Ergebnis ihrer Aktivitäten zur Überarbeitung der Leitlinien und neuen regulatorischen technischen Standards (RTS) für die Zinsänderungs- und Creditspreadrisiken im Anlagebuch (IRRBB beziehungsweise CSRBB) hat die EBA am 2. Dezember 2021 drei Konsultationspapiere veröffentlicht. Die Konsultationsphase endet am 4. April 2022. Der vorliegende Artikel wirft einen Blick auf wesentliche Aspekte und Neuerungen der EBA-Leitlinien zur Steuerung des Zinsänderungs- und des Creditspreadrisikos bei Geschäften des Anlagebuchs.
Abstract
Über die laufenden Aktivitäten der EBA in Bezug auf überarbeitete Leitlinien und neue regulatorische technische Standards (RTS) für die Zinsänderungs- und die Creditspreadrisiken im Anlagebuch (IRRBB beziehungsweise CSRBB) haben wir bereits in der NEWS 02/20211 informiert.
Als Ergebnis dieser Aktivitäten hat die EBA am 2. Dezember 2021 drei Konsultationspapiere veröffentlicht. Die Konsultationsphase endet am 4. April 2022. Der vorliegende Artikel wirft einen Blick auf wesentliche Aspekte und Neuerungen der EBA-Leitlinien zur Steuerung des Zinsänderungs- und des Creditspreadrisikos bei Geschäften des Anlagebuchs.
Umfang der Konsultationspapiere
Die von der EBA zur Konsultation gestellten Papiere umfassen folgende Veröffentlichungen:
- Überarbeitete Leitlinien zur Steuerung des Zinsänderungs- und des Creditspreadrisikos bei Geschäften des Anlagebuchs2
- RTS für aufsichtliche Ausreißertests
- RTS für einen IRRBB-Standardansatz und einen vereinfachten IRRBB-Standardansatz
Die EBA hat sich bewusst für eine gemeinsame Konsultationsphase dieser drei Veröffentlichungen entschieden, weil sie sich ergänzen und als Gesamtpaket künftig die europäischen aufsichtlichen IRRBB- und CSRBB- Anforderungen bündeln werden.
IRRBB
Die neuen Guidelines übernehmen im Wesentlichen die bestehenden IRRBB-Anforderungen der 2018er-Guidelines und wahren dadurch so weit wie möglich die Kontinuität der aufsichtlichen Vorgaben. Anpassungen ergeben sich vor allem aus den Praxiserfahrungen der Aufsicht in den letzten Jahren und aus dem Vorsichtsprinzip.
Eine wesentliche Neuerung ist die Beschränkung der Modellierung von Einlagen ohne festen Zinsanpassungstermin (non-maturity deposits, NMD) auf einen volumen- gewichteten durchschnittlichen Zinsanpassungstermin von fünf Jahren (TZ 111). Eine vergleichbare Anforderung findet sich bereits im Rundschreiben der BaFin zu den Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch3, bezieht sich dort allerdings nur auf die Simulation der aufsichtlich vorgegebenen Zinsszenarien. Diese Modellierungsbeschränkung erweitert die EBA mit den Leitlinien auf die gesamte interne IRRBB-Messung und -Steuerung. Einlagen von Finanzinstituten sind ausgenommen und als sofort fällig zu modellieren.
In den neuen TZ 102 und 103 fordert die EBA, dass Institute auch in der barwertigen Perspektive über Stressszenarien auswerten sollen, ob sie in der Zukunft in der Lage sein werden, die wertorientierten Risiken zu tragen. Solche Simulationen erweitern bisherige Anforderungen und erfordern auch in der wertorientierten Perspektive das Einbeziehen von geplantem Neugeschäft.
Eine weitere Neuerung findet sich in TZ 105. Sie betrifft Zinsinstrumente, die neben dem Zins auch von „anderen Marktparametern“ abhängen. Die EBA nennt beispielhaft eine Inflationsabhängigkeit. Für solche Parameter fordert sie angemessene Annahmen, die sich zum Beispiel aus den Vorhersagen renommierter Wirtschaftsforschungsinstitute ergeben können.
Einen wichtigen Aspekt betonen die Leitlinien in TZ 15 und in der folgenden Erläuterung: In der periodischen Ertragsperspektive sollen Institute auch die Marktwertänderungen von Fair-Value-Instrumenten berücksichtigen. Eine ähnliche Forderung findet sich bereits in den 2018er-Leitlinien (dort in TZ 14). Neu ist, dass diese barwertigen Bewertungseffekte in die Definition des Net- tozinsertrags (NII) aufgenommen werden. Dieser „Trick“ ermöglicht es der EBA, auch Marktwertänderungen in der Ertragsperspektive zu berücksichtigen, obwohl das CRD-Mandat sich nur auf den Nettozinsertrag bezieht.
CSRBB
Während die Leitlinien von 2018 das Creditspreadrisiko im Anlagebuch (CSRBB) nur am Rande behandeln, widmen die zur Konsultation gestellten neuen Leitlinien diesem Thema zwei umfangreiche Kapitel. Das CSRBB ist als eigene Risikoart ähnlich wie das IRRBB zu messen und zu überwachen, sowohl in einer wertorientierten als auch in einer ertragsorientierten Perspektive.
Das Creditspreadrisiko im Anlagebuch ist definiert als das Risiko, das sich wertorientiert oder ertragsorientiert aus dem Schwanken der Creditspreads ergibt. Ein Creditspread beinhaltet nach Definition der Leitlinien sowohl einen Marktspread für das Kreditrisiko als auch einen Marktspread für die Liquidität und gegebenen- falls weitere Marktspreads. Er enthält jedoch kein idiosynkratisches Kreditrisiko, also insbesondere nicht das individuelle Ausfallrisiko einzelner Kreditnehmer.
Das CSRBB misst also das Risiko, das sich ergibt, wenn der Creditspread eines Instruments schwankt, ohne dass sich die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers ändert (TZ 7).
In TZ 157 erlauben die Leitlinien „als Ausnahme“ für die Implementierung das Einbeziehen von idiosynkratischen Creditspread-Komponenten, solange dies zu konservativeren Ergebnissen führt. Denkbar wäre also für marktbewertete Instrumente eine Rückrechnung aus einem Marktkurs auf einen impliziten Creditspread. Dieser implizite Creditspread enthält neben dem Marktspread im Sinne des CSRBB auch eine idiosynkratische Komponente.
TZ 124 regelt den Umfang der Instrumente, die in der Messung des CSRBB zu betrachten sind. Institute messen das Creditspreadrisiko bislang überwiegend für die
„Fair-Value-Aktiva“ des Anlagebuchs. In der HGB-Welt sind das meist die Aktiva der Liquiditätsreserve. Diese Positionen sind auch künftig zu berücksichtigen.
Allerdings schließt der neue Entwurf per se keine Position des Anlagebuchs aus. Die EBA erwartet von den Instituten den dokumentierten und begründeten Nachweis, dass Positionen nicht auf Creditspread-Änderungen reagieren, wenn sie aus der CSRBB-Betrachtung ausgenommen werden. Die Institute müssen künftig also jedes zinssensitive bilanzielle oder außerbilanzielle Geschäft auf eine Creditspread-Sensitivität hin überprüfen. Es bleibt abzuwarten, ob dieser deutlich weiter gefasste Rahmen auch in der endgültigen Fassung der Leitlinien beibehalten wird.
Die Anforderungen an die Messung und Steuerung des CSRBB ähneln den IRRBB-Anforderungen, mit leichten Vereinfachungen. So soll ein Institut zwar den Risikoappetit für CSRBB im Rahmen der Strategie festlegen, benötigt aber keine gesonderte CSRBB-Limitierung.
Institute sollen in der Lage sein, IRRBB und CSRBB separat zu messen. Sie können aber Diversifikationseffekte zwischen beiden Risikoarten berücksichtigen, solange diese angemessen validiert und dokumentiert sind und auch als ausreichend stabil in ungünstigen Marktbedingungen angenommen werden können (TZ 160).
Ausblick
In der NEWS-Ausgabe 02/2022 wird ein Folgeartikel den RTS für aufsichtliche Ausreißertests und den RTS für einen IRRBB-Standardansatz und einen vereinfachten IRRBB-Standardansatz beleuchten, die ebenfalls zur Konsultation stehen.
Es bleibt abzuwarten, welche Anpassungen die drei Konsultationspapiere bis zur finalen Version erfahren werden. Insbesondere die Tatsache, dass in den Leitlinien das gesamte Anlagebuch in das Creditspreadrisiko einbezogen wird und dass der Nachweis für alle nicht relevanten Positionen von den Instituten selbst zu erbringen ist, sorgt für Kritik. Hier ist ein erheblicher Zusatzaufwand zu erwarten.
Ansonsten runden die Leitlinien zusammen mit den RTS das bestehende aufsichtliche Rahmenwerk zu IRRBB und CSRBB ab und sorgen für einen europäischen Standard, der die Vorgaben des Baseler Ausschusses von 20164 in vollem Umfang umsetzt und der die dort bestehenden Lücken sinnvoll ergänzt.
Quellen
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1. Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch: Wohin entwickelt sich die IRRBB-Regulierung?, Dr. Uwe Gaumert, vdp, Rainer Alfes, msg GillardonBSM
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2. EBA: EBA/CP/2021/37 vom 2. Dezember 2021
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3. BaFin: Rundschreiben 06/2019 (BA) - Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch, 6. August 2019 (3.2 b) auf S. 5)
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4. Basel Committee on Banking Supervision, Interest Rate Risk in the banking book, April 2016 (d368)
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