Fachartikel

Embedded Finance: Chancen und Risiken für die Geschäftsmodelle von Finanzinstituten

Bei Embedded Finance geht es um das Einbetten von Finanzdienstleistungen in Produkte und Dienstleistungen anderer Unternehmen aus anderen Branchen. Während beim Konzept des Beyond Banking das Produkt oder die Dienstleistung zur Bank kommt und somit deren Leistungsportfolio erweitert, kommt beim Embedded Finance die Bank zum Produkt beziehungsweise zur Dienstleistung

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Was ist Embedded Finance?

Unterschied von Beyond Banking und Embedded Finance

Abbildung 1: Unterschied von Beyond Banking und Embedded Finance

Bei Embedded Finance geht es, der Name deutet bereits darauf hin, um das Einbetten von Finanzdienstleistungen in Produkte und Dienstleistungen anderer Unternehmen aus anderen Branchen. Während beim Konzept des Beyond Banking, wie in der NEWS-Ausgabe 02/20211 beschrieben, das Produkt oder die Dienstleistung zur Bank kommt und somit deren Leistungsportfolio erweitert, kommt beim Embedded Finance die Bank zum Produkt beziehungsweise zur Dienstleistung (siehe Abbildung 1).

Es zeigt sich, dass die traditionellen Grenzen zwischen den Branchen zusehends verschwimmen. Das führt zu einer neuen Zusammensetzung und Orchestrierung von Wertschöpfungsketten. Im Folgenden untersuchen wir, was diesen Trend antreibt und welche Rolle Finanzinstitute dabei spielen können.

Was treibt den Trend zu Embedded Finance an?

Embedded Finance ist nichts Neues. Automobilhersteller haben schon seit jeher die Möglichkeit implementiert, die Anschaffung eines Fahrzeugs über Finanzierungs- oder Leasingmodelle abzuwickeln. Letztendlich hat das zur Entstehung der Automobilbanken geführt. Dennoch beschleunigt und erweitert sich der Trend zu Embedded Finance aktuell aus einer Reihe von Gründen.

Technologien

Technologischer Fortschritt, beispielsweise Cloud-Banking oder eine Vielzahl von Webtechnologien, wie Frontend Frameworks oder das viel diskutierte Web3 (hier: Distributed-Ledger-Technolgien und Smart Contracts), haben es überhaupt erst möglich gemacht, Finanzdienstleistungen zeitlich und örtlich von Banken zu entkoppeln. Daher spielt die Unterscheidung zwischen Bank und Banking heute eine entscheidende Rolle.

Dies führte zum Entstehen von Plattformen, die (anderen) Unternehmen White-Label-Banking anbieten. Sie liefern den technischen und organisatorischen Unterbau, zum Teil auch inklusive einer Banklizenz. Am Point of Sale beziehungsweise Point of Interest (PoS/PoI) können Finanzdienstleistungen angeboten werden, ohne dafür eine Bank gründen zu müssen. Das hat zusätzlich den Vorteil, dass solche digitalen Services ohne die Alt- lasten von Legacy-Systemen betrieben werden können.

Application Programming Interfaces, kurz APIs, haben längst ihren Siegeszug angetreten. Sie ermöglichen, dass sich zwei unterschiedliche Softwareprodukte oder Datenhaushalte miteinander austauschen können. Ein Beispiel dafür sind REST-APIs, die über Requests die Kommunikation zwischen einer Anwenderoberfläche und dem Backend ermöglichen. Aber auch die Standardisierung des Zahlungsverkehrs im XML-Format nach dem ISO-20022-Standard trägt dazu bei, die Interoperabilität zwischen Unternehmen und Systemen weiter vor- anzutreiben und gleichzeitig die Stückkosten zu senken.

Öffnung der Märkte

Open Banking in Verbindung mit der PSD2-Schnittstelle wurde geradezu mit der Begründung eingeführt, es Drittanbietern wie FinTechs zu ermöglichen, zusätzliche digitale Services zu entwickeln. Damit sinken erneut die Markteintrittsbarrieren für Nichtbanken in das Segment Finance.

Veränderungen der Kundenpräferenzen

Nokia, einstmals weltgrößter Hersteller von Mobilfunkgeräten, hatte seinerzeit den disruptiven Trend zu Smartphones schlicht verschlafen. Konsumenten von heute lieben diese „Wundergeräte“, einfach weil sie schnell hochgefahren werden, klein und leicht sind und überallhin mitgenommen werden können. Mobile first ist das Gebot der Stunde. Wer heute keine App anzubieten hat, wird es zukünftig schwer haben.

Kunden lieben das One-Stop-Shopping. Das heißt, wenn sie sich eine neue Investition leisten, dann nehmen sie gerne die Finanzierung mit dazu. Wenn sie eine Dienstleistung in Anspruch nehmen, dann zahlen sie gerne mit dem Payment-System des jeweiligen Anbieters.

Globale Verfügbarkeit (Ubiquität) und Banking 24/7 erwarten die Kunden heute ganz selbstverständlich. Corona hat diesen Trend nur noch beschleunigt.

Finanzinstitute können gegenüber den Endkunden mit ihrem eigenen Markennamen auftreten, aber häufig entfaltet die Marke eines anderen Herstellers oder Dienstleisters eine höhere Vertrauens- und Bindungswirkung, sodass die Kunden geneigt sind, auch die zusätzlichen Financial Services in Anspruch zu nehmen.

Aktivitäten von Near- und Non-Banks beziehungsweise FinTechs

Für Nichtbanken aus den verschiedensten Branchen oder Unternehmen, die in einem banknahen Umfeld operieren, wie etwa Versicherungen, Vermögensverwalter und Wertpapierhandelsfirmen, sind die Möglichkeiten des Embedded Finance deshalb interessant, weil sie damit ihren Kunden ein umfänglicheres Leistungsangebot präsentieren können, das sie von der Konkurrenz abhebt. Außerdem stärkt dies die Kundenbindung und kann eine zusätzliche Einnahmequelle im Sinne des Cross-Sellings darstellen. FinTechs wiederum bietet Embedded Finance ein interessantes Betätigungsfeld für innovative Services.

Beispiele für reale und zukünftige Anwendungsfälle

Embedded Finance kann im Grundsatz überall dort ein- gesetzt werden, wo es sinnvoll ist, beim Kauf eines Produkts oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung die notwendige Finanzdienstleistung gleich mit anzubieten, also beispielsweise Zahlungen, Finanzierungen oder Geldanlagen.

Dass Discounter und Supermarktketten bereits ihre eigenen Zahlungssysteme anbieten, überrascht daher nicht. Zumal dieser Markt mit seinen geringen Margen hart umkämpft ist. Auch die Möglichkeit, Bargeld an der Supermarktkasse abzuheben, ist mittlerweile Realität. Und selbst ETFs (Exchange Traded Funds) kann man heute in ähnlicher Form wie Telefon-Prepaid-Karten im Supermarkt kaufen.

Ein wenig in die Zukunft gedacht, sind beispielsweise intelligente Fahrzeuge denkbar. Entweder gebunden an das Fahrzeug oder an den Fahrer, könnten sie ihren Kraftstoff an der Tankstelle oder ihren Strom an der Ladesäule selbst bezahlen. Auch die Abrechnung von Werkstattleistungen oder Mautgebühren ist denkbar. Das könnte vor allem für das Management von Firmen- Fahrzeugflotten, Leasingfirmen oder Autovermietungen interessant sein. Dies ist ein Beispiel für Embedded Finance auf einem B2B-Markt, der bei der Diskussion von Finanzinnovationen gerne ein wenig vernachlässigt wird, da er weit weniger standardisierbar ist als der B2C- Markt.

Immobilienbesitzer stehen aktuell vor der Herausforderung, dass der Wert ihrer Immobilie zukünftig stärker auch am CO2-Verbrauch gemessen wird. Das dürfte in den nächsten Jahren erhebliche Investitionen in Dämmung, Stromerzeugung und Heizung nach sich ziehen. Für die Lieferanten dieser Produkte wird es interessant sein, den Immobilienbesitzern gleich die Finanzierung dieser Investition mit anzubieten, da die Nachrüstung oftmals einen erheblichen finanziellen Aufwand erfordert.

Für Energieversorger sind intelligente Ablesegeräte spannend (Stichwort „Internet of Things“ oder IoT), die ihren Zählerstand melden und die Lastschrift oder Gutschrift für die jährliche Ausgleichszahlung auslösen.

Chance oder Risiko für traditionelle Finanzinstitute?

Wir haben in den Artikeln aus unserer Serie „Banking der Zukunft“ immer wieder betont, dass die Disruption im Finanzwesen voll im Gange ist und die Frage nicht lautet, ob man als traditionelles Institut auf diese Veränderungen reagieren muss. Vielmehr lautet sie, wie diese Disruptionen die Geschäftsmodelle beeinflussen und wie schnell man sich darauf anpassen muss (First Mover oder Fast Follower).

Der Trend einer stärkeren Ausdifferenzierung einzelner Geschäftsmodelle in Vertriebs-, Produktions- und Steuerungsbank und damit einer weiter vorangetriebenen Industrialisierung ist schon aus Kostengründen unaufhaltsam. Die erste strategische Frage lautet also, in welche der drei Richtungen die Entwicklung gehen soll.

Außerdem haben Finanzinstitute den klaren Vorteil, dass sie über Domänenwissen und fachliche Kompetenz verfügen. Selbst wenn Institute nicht mit ihrem eigenen Namen gegenüber dem Endkunden auftreten, haben sie trotzdem ihre Berechtigung. Denn klassische Bankaufgaben, wie Transaktionsabwicklung, Risikomanagement, Liquiditätssteuerung, Refinanzierung und Meldewesen, liegen weder im Fokus noch im Interesse von Unter- nehmen anderer Branchen. Auch werden die wenigsten Markteilnehmer das notwendige Kapital aufbringen, eine Banklizenz zu beantragen. Oder sie haben schlicht kein Interesse daran, da dies schließlich nicht zu ihrem Kerngeschäft gehört.

Um sich zukünftig stärker mit anderen Branchen vernetzen zu können, müssen die Institute allerdings über moderne Kernbanksysteme und Schnittstellen verfügen. Darüber hinaus müssen sie das Automatisierungspotenzial in der Prozessabwicklung voll ausschöpfen.

Der Wille und die Fähigkeit, Business- und Technologie- Partnerschaften einzugehen, ist für ein Institut, das in das Embedded-Finance-Geschäft einsteigen möchte, essenziell. Zum einen geht es naturgemäß nicht ohne Partner aus anderen Branchen, zum anderen erfordern solche Geschäftsmodelle spezifische Kenntnisse und Erfahrungen, zum Beispiel zu Plattformtechnologien.

Fazit

Es ist höchste Zeit, dass sich traditionelle Finanzinstitute ernsthaft mit den disruptiven Veränderungen in ihrer Branche auseinandersetzen. Embedded Finance hat das Potenzial, das Geschäftsmodell einer klassischen Bank weiter auszuhöhlen. Und dabei haben wir noch nicht über die Bedrohungen dieser Geschäftsmodelle durch andere technologische Entwicklungen, wie Tokenisierung von sogenannten Crypto-Assets, gesprochen.

Andererseits bieten sich für die Institute, die sich auf die Veränderungen zügig einstellen können, auch Chancen, ihre Rolle in sich verändernden Wertschöpfungsketten einzunehmen und auf diese Weise ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern beziehungsweise neue Ertragsquellen zu erschließen. Richtig aufgesetzt, könnte man Embedded Banking aus Sicht einer Bank auch als zusätzlichen Vertriebskanal betrachten.

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