Sustainable Banking: Die Rolle der Banken bei der Transformation der Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit
Der Klimawandel kommt schneller als bislang vermutet, und die Folgen sind schon heute deutlich sicht- und (leider) auch erlebbar. In unserer Studie „Sustainable Banking“ wollten wir wissen, welche Rolle der Bankenbranche bei der Transformation der Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit zukommt.
- Klimawandel und Nachhaltigkeit
- Was bedeutet das für die Branche Banking?
- Regierungsinitiativen und Regulierungsmaßnahmen
- Anlageberatung und Produktgestaltung
- Kreditprozess: Auswahlkriterien, Pricing und Sicherheitenbewertung
- Risikomanagement
- Offenlegung
- Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Banken
- Hemmnisse und Stolpersteine
- Quellen
Klimawandel und Nachhaltigkeit
Der Klimawandel kommt schneller als bislang vermutet, und die Folgen sind schon heute deutlich sicht- und (leider) auch erlebbar. In unserer Studie „Sustainable Banking“ wollten wir wissen, welche Rolle der Bankenbranche bei der Transformation der Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit zukommt.1
Verursacher des Klimawandels sind – das belegt der Bericht des Weltklimarats vom 09.08.2021 – zweifelsfrei wir Menschen. Und so werden wir uns immer öfter beispielsweise auf Hitzewellen einstellen müssen, wie sie im Sommer 2021 vor allem in Nordamerika und Südosteuropa zu beobachten waren. Auch andere Extremwetterereignisse, wie etwa Starkregen, der in Deutschland im Juli 2021 zu schlimmen Verwüstungen und zahlreichen Todesopfern geführt hat, werden zunehmen.
Was bedeutet das für die Branche Banking?
Für die Bankenbranche gilt die doppelte Materialität der ESG-Risiken (Environment, Social, Governance), wie die EBA zu Recht betont. Einerseits ergeben sich ESG- Risiken aus dem Kerngeschäft heraus. Vertragspartner, wie insbesondere Firmenkunden, sind unterschiedlichen physischen und transitorischen Risiken ausgesetzt: Überflutungen können den zentralen Produktionsstandort eines Firmenkunden gefährden oder die Kundenpräferenzen ändern, zum Beispiel als Reaktion auf den Klimawandel und die Umweltverschmutzung (Stichworte Plastikabfall, Billigfleisch etc.).
Andererseits nehmen die Institute maßgeblich über die Kreditvergabeentscheidung Einfluss darauf, welche Investitionen finanziert werden. Das zeigt: Der Umbau der Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit hängt in einem hohen Maß auch von der Kreditpolitik der Bankwirtschaft ab. Doch auch die Anlageseite ist kunden- und bankenseitig gleichermaßen betroffen.
Schon jetzt boomt die Nachfrage nach Green Bonds und Green ETFs, verbunden mit der zentralen Frage, ob der verbriefte Inhalt auch tatsächlich „grün“ ist.
Kreditinstitute, die die Prozesskette der nachhaltigen Emission von der Datenführung bis zum Reporting exzellent beherrschen, werden die quantitativen und qualitativen Vorteile der nachhaltigen Emission profitabel umzusetzen wissen.
Tim Geißler Mitglied der Geschäftsleitung, verantwortlich für Märkte, fachliche Weiterentwicklung der Produktpalette und die Product Owner in der TXS GmbH
Das alles belegt, dass das Thema Nachhaltigkeit die Institute in vielerlei Hinsicht betrifft, nicht nur im Außenauftritt. Tangiert sind die Kreditvergabeentscheidung samt Anpassungen im Rating und Pricing sowie der Vertrieb, und zwar sowohl kredit- als auch anlageseitig. Außerdem das Risikomanagement, das die einzelnen klassischen Risiken jeweils um Nachhaltigkeitsrisiken ergänzen muss, und schließlich auch das Geschäftsmodell. Etablierte Institute müssen sich fragen, wie stark sie durch die sich eines rasanten Wachstums erfreuenden „Ökobanken“ gefährdet sind. Und wie deren Strategie in diesem Kontext aussieht.
Aufschluss über diese und viele weitere Fragen und Aspekte im Kontext Nachhaltigkeit gibt die nun vor- liegende Studie zum „Sustainable Banking“. Hier ein Einblick in die Ergebnisse.
Regierungsinitiativen und Regulierungsmaßnahmen
Die Strategie der Bundesregierung für nachhaltige Finanzierung (Sustainable Finance) zielt darauf ab, die Nachhaltigkeit als ein zentrales Leitmotiv im Finanzsystem zu verankern, zum Beispiel indem die notwendigen Investitionen für Klimaschutz auch finanziert und Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement integriert werden. Zum Maßnahmenkatalog zählen Umschichtungen der Anlagen des Bundes in nachhaltige Anlageformen, Nachhaltigkeitskennzeichnungen für Verbraucherinnen und Verbraucher (Nachhaltigkeitsampel) sowie neue Nachhaltigkeitsberichtspflichten für Unternehmen.
Nachhaltigkeitsrisiken stellen keine eigene Risikokategorie dar, das heißt, sie wirken auf die „klassischen“ Risikokategorien, die wir auch aufsichtsrechtlich betrachten.
Frank Pierschel Chief Sustainable Finance Officer der BaFin
Die befragten Institute befürworten die Sustainable-Finance-Strategie mehrheitlich. Dies gilt insbesondere für den avisierten zentralen Zugang für Anlegerinnen und Anleger zu finanziellen und nachhaltigkeitsbezogenen Unternehmensinformationen.
Ende 2020 hatte die EBA das Diskussionspapier „EBA Discussion paper: On management and supervision of ESG risks for credit institutions and investment firms“ (30.10.2020; EBA/DP/2020/03) veröffentlicht, das drei konkrete Methoden zur quantitativen und qualitativen Messung der ESG-Risiken darstellt. Hier hat die Finanz- wirtschaft einen erheblichen Nachholbedarf, denn nur ein Viertel der Institute hat sich bisher mit diesen Messmethoden beschäftigt.
Der „Green Supporting Factor“ (GSF), mit dem den Banken eine Eigenkapitalentlastung für ihre grüne Kreditvergabe gewährt werden würde, ist in der Politik umstritten. Während ihn die EU befürwortet, lehnt die (bisherige) Bundesregierung (Stand: Juli 2021) einen solchen nicht risikobasierten Ansatz ab.
Im Gebäudesektor dürfte es in Deutschland auf absehbare Zeit häufig schwierig sein, die Erfüllung der Taxonomie-Kriterien nachweisen zu können.
Sascha Kullig Mitglied der Geschäftsleitung (Bereichsleiter Pfandbrief, Kapitalmarkt und Investor Relations), Verband deutscher Pfandbriefbanken vdp
Die befragten Institute begrüßen hingegen in der Tendenz den EU-Ansatz als einfach zu handhaben.
Das BaFin-Merkblatt zur Nachhaltigkeit2 adressiert weitere Fragestellungen hinsichtlich Geschäftsorganisation und Outsourcing, die bei den Instituten einen hohen Aufwand namentlich im Notfallmanagement verursachen. Klimafolgen können auf das Institut unmittelbar selbst einwirken, während Verstöße gegen die Regulierung Reputationsrisiken auslösen können. Von denjenigen Banken, die aus dem Merkblatt Handungsbedarf ableiten, hat nur knapp ein Viertel zu mindestens 50 Prozent den erkannten Handlungsbedarf bereits abgedeckt. Hier ist also noch Luft nach oben.
Es ist wichtig zu verstehen, dass Rendite und Nachhaltigkeit keine sich ausschließenden Faktoren sind, zwischen denen es zu gewichten gilt.
Thomas Jorberg Vorstandssprecher der GLS Bank
Anlageberatung und Produktgestaltung
Im Rahmen der Sustainable-Finance-Strategie wurde die Nachhaltigkeitsampel für an Privatanlegerinnen und -anleger adressierte Finanzprodukte fixiert. Ein solches Ampelsystem, basierend auf geprüften Nachhaltigkeitsberichten und der EU-Offenlegungsverordnung, würde mit einfachen Mitteln transparent machen, wie ernst ein Unternehmen Umweltschutz und Menschenrechte nimmt. Obwohl sich die Kreditwirtschaft meist gegen regulatorische Eingriffe in ihre Produktpolitik wehrt, begrüßt die Hälfte der befragten Institute die Ampellogik.
Kreditprozess: Auswahlkriterien, Pricing und Sicherheitenbewertung
Sowohl das BaFin-Merkblatt als auch die von der EBA veröffentlichten Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung legen das explizite Einbeziehen der durch die ESG-Faktoren hervorgerufenen Risiken des Kreditnehmers in die Kreditvergabeentscheidung nahe. Entsprechend erstellt aktuell etwa die Hälfte der Banken eine Checkliste mit Ausschlusskriterien bei der Kreditvergabe. Ungefähr ein Drittel verfügt bereits über diese Checkliste.
Neben der Kreditvergabe sollen zukünftig auch bei der Bewertung von Immobilien ökologische Aspekte als Sicherheiten berücksichtigt werden. Die perfekte Lösung bieten hier Ökobilanzen durch die Abbildung der Umweltwirkungen der Immobilien über ihren gesamten Lebenszyklus. Etwa jedes dritte Institut präferiert diesen Lösungsweg, da der Energieausweis als nicht ausreichend eingestuft wird. Etwa ebenso hoch ist indessen der Anteil der Banken, die eine Ökobilanz im Massengeschäft der Immobilienfinanzierung für überzogen halten. Dies sieht etwa die Hälfte der Kreditinstitute sogar bei der Finanzierung großvolumiger Immobilienkredite so.
Risikomanagement
Das BaFin-Merkblatt bietet den Instituten eine Orientierung im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken. Die Mehrheit der Institute versucht bereits, den Vorstellungen der BaFin im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken Rechnung zu tragen. Etwa ein Drittel sieht dagegen aktuell noch keinen Handlungs- bedarf und wartet ab, bis konkrete Vorschriften erlassen werden. Mit dem Einbeziehen der Nachhaltigkeitsrisiken in die Risikoinventur sowie einer Wirkungsanalyse der Risikotreiber ergeben sich bei den Instituten neue Fragestellungen im Zusammenhang mit der Risikotragfähigkeit. Allerdings widmen sich die Institute diesen Anforderungen derzeit noch nicht flächendeckend. Andererseits beschäftigen sich derzeit rund drei Viertel der Banken mit der Erstellung des neuen Leitfadens zur Risikotragfähigkeit. Aus diesem Grund fehlen offensichtlich die notwendigen Kapazitäten, das Themenfeld Nachhaltigkeit kurzfristig einzugliedern.
Die Ökobilanz liefert nicht nur den CO2- Fußabdruck und damit den Beitrag zum Klimawandel. Es werden auch Kennzahlen zu weiteren relevanten Umweltwirkungen ermittelt.
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Phys. Klaus Peter Sedlbauer Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik und Ordinarius am Lehrstuhl für Bauphysik der Technischen Universität München
Fast alle Institute haben sich mit dem aufsichtsrechtlich vorangetriebenen Thema der Nachhaltigkeitsstresstests auseinandergesetzt. Mehrheitlich orientieren sie sich hierbei an den drei Klimaszenarien der EZB und des NGFS (Network for Greening the Financial System).
Offenlegung
Anfang März 2021 hat die EBA für Kreditinstitute eine Empfehlung an die EU-Kommission unter anderem zur Offenlegung einer einheitlichen Green Asset Ratio (GAR) abgegeben, die den Anteil EU-Taxonomie-konformer Finanzierungen angibt. Wenngleich etwa ein Viertel
der Banken diese Kennzahl aus Vergleichbarkeitsgründen im Wettbewerb begrüßt, hat knapp die Hälfte die Ermittlung der GAR bislang ausgeklammert. Problematisch scheint hier der Aspekt der Datenbeschaffung zu sein. Überraschend wenige Banken haben in diesem Zusammenhang die qualitativen Angaben zu den E-(Environmental-), S-(Social-) und G-(Governance-)- Risiken bearbeitet. Insbesondere S und G spielen hier noch keine Rolle.
Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Banken
Nachhaltigkeit ist aus strategischer Sicht für alle Institute von zentraler Bedeutung – mit wichtigen Auswirkungen auf das eigene Geschäftsmodell. Für die Banken sind die Berücksichtigung der Außenwirkung und der Dialog mit den Stakeholdern derzeit dominierend, weshalb jedes vierte Institut plant, seinen Außen- auftritt hinsichtlich Nachhaltigkeit massiv anzupassen. Auch die veränderte Kundennachfrage wird registriert. Zum Beispiel erwarten drei von zehn Geldhäusern eine hohe Nachfrage nach grünen Pfandbriefen mit gravierenden Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell.
Hemmnisse und Stolpersteine
Das größte Problem auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Branche Banking sind die dafür fehlenden Personalkapazitäten. Ausgeglichen werden sollen sie vorwiegend durch die Rekrutierung zusätzlichen Personals mit entsprechenden Skills in Nachhaltigkeitsthemen. Rund die Hälfte der befragten Fach- und Führungskräfte beklagt das mangelnde Fachwissen und erwartet einen entsprechenden Schulungsbedarf. Technische Rahmenbedingungen, vor allem die aktuell genutzten Softwarelösungen, stellen für etwa jedes dritte Institut eine Herausforderung zur zeitnahen Umsetzung der Nachhaltigkeitsanforderungen dar.
Langfristig gesehen sollten sich diese Aktivitäten dennoch lohnen: 60 Prozent der Befragten erwarten aus den Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit strategische Vorteile für ihr Kreditinstitut.
Wir sehen eine wichtige Rolle darin, den Mittelstand, die Privatpersonen und unsere Träger, die Kommunen, auf den Weg in eine klimaneutrale Zukunft mitzunehmen.
Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, DSGV
Die Studie zeigt es deutlich: Die Bankwirtschaft hat sich auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit gemacht, zurzeit (noch) fokussiert auf den Klimawandel. Am Ziel ist sie natürlich noch lange nicht – ebenso wenig wie die Politik. Das Thema wird nicht nur die Institute in den nächsten Jahren vor große Herausforderungen stellen.
Die aufschlussreichen Befragungsergebnisse der Studie werden flankiert von Interviews mit hochkarätigen Vertretern aus der Bankwirtschaft und Wissenschaft.3 Ihre Aussagen belegen, wie das Thema Nachhaltigkeit die Bankenbranche in vielen Facetten beschäftigt.
Quellen
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1. Für die vorliegende Studie hat das IMWF Institut für Management- und Wirtschaftsforschung GmbH im Auftrag von msg GillardonBSM und dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP 110 Fach- und Führungskräfte deutscher Kreditinstitute aus unterschiedlichen Bereichen beziehungsweise Abteilungen befragt. Die Studie wurde gemeinsam erstellt mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik.
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2. Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, BaFin, 20.12.2019, Stand:geändert am 01.10.2021
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3. Siehe auch Studie: Sustainable Banking – wo stehen die deutschen Banken aktuell?




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