Fachartikel

Digitale Zentralbankwährungen und Stablecoins: Disruptoren des Zahlungsverkehrs

Die rasant fortschreitende Digitalisierung beeinflusst unsere Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig und beeinflusst auch den Zahlungsverkehr. Die Frage ist nicht mehr, ob digitale Währungen wie CBDCs und Stablecoins kommen, sondern wann und von wem.

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Der Hype um Kryptowährungen und Stablecoins

Die Welt befindet sich inmitten eines digitalen Wandels, die rasant fortschreitende Digitalisierung beeinflusst unsere Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig. Diese Transformation erfordert ein Umdenken und neue Lösungen in allen Bereichen. Auch im Zahlungsverkehr hinterlässt der technologische Wandel seine Spuren. Eines der Themen, die für den größten Wirbel im Zahlungsverkehr sorgen, sind sogenannte Distributed-Ledger-Technologien (DLT). Seit dem starken Hype um Kryptowährungen, allen voran Bitcoin, und der Veröffentlichung des Whitepapers der durch Facebook initiierten Libra Association (heute: Diem Association) im Juni 2019, sind auch Finanzinstitute gezwungen, in Richtung digitale, programmierbare Währungen zu denken. Immer mehr Institutionen, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich, arbeiten derzeit an Initiativen, um eine neue technologische Grundlage für digitales Geld zu schaffen.

Welche Formen von digitalen Währungen gibt es?

Am bekanntesten sind die klassischen Kryptowährungen. Kurz und knapp sind das Währungen, die nur in digitaler Form übertragen, gespeichert und gehandelt werden. Sie stützen sich zum Beispiel auf die Distributed-Ledger-Technologie und werden von ihren eigenen Nutzern, sogenannten Minern, unter Verwendung von kryptografischen Verfahren „geschöpft“.

Da keine juristische Person hinter diesem Prozess steht, gibt es auch keinen zentralen Verantwortlichen. Kryptowährungen existieren also dezentral, ohne Einfluss von Zentralbanken oder Privatbanken. Um dem Risiko entgegenzuwirken, dass Zentralbanken ihr Währungsmonopol verlieren, wird mit Hochdruck an eigenen Lösungen gearbeitet.1 Klassische Kryptowährungen sind starken Kursschwankungen ausgesetzt, wodurch sie für den Zahlungsverkehr und den Handel nicht geeignet sind. Aus diesem Grund gibt es zahlreiche Initiativen, die an sogenannten Stablecoins arbeiten.

Stablecoins nutzen ähnliche Technologien wie klassische Kryptowährungen. Der größte Unterschied ist, dass Stablecoins mit Vermögenswerten hinterlegt werden, um so eine gewisse Wertstabilität zu gewährleisten. Die populärsten Stablecoins sind mit US-Dollar besichert, wie Tether (USDT) und der geplante Diem Dollar. Je nach Stablecoin sollen durch die bessere Stabilität einfache und günstige (grenzüberschreitende) Finanztransaktionen ermöglicht werden.

Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu klassischen Kryptowährungen besteht darin, dass Stablecoins einen Emittenten haben, der für den Rückkauf von Währungseinheiten zum Nennwert befugt ist und die Verantwortung für deren sichere Verwahrung übernimmt. Meist handelt es sich um private Institutionen wie Banken, FinTechs oder BigTechs.2

Auch der öffentliche Sektor ist sich des Potenzials der neuen Technologien und des Bedarfs an einer Digitalisierung des Geldsystems bewusst. Um die vorherrschende Rolle der Zentralbanken im Währungssystem der Zukunft zu sichern, arbeitet auch der öffentliche Sektor an digitalen Währungen, den sogenannten Zentralbankwährungen, oder kurz CBDC (Central Bank Digital Currency). Bislang wurden Zentralbankwährungen nur in wenigen Ländern der Welt eingeführt. Jedoch blieb das Thema bei den meisten Ländern nicht unbeachtet. Über 80 Prozent der Zentralbanken beschäftigen sich bereits mit CBDCs.3 Viele stecken in der Entwicklungs- oder Pilotphase. Besonders die Volksrepublik China ist in der Entwicklung schon sehr weit vorangeschritten und hat ihre erste CBDC zumindest testweise in Betrieb genommen. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Juni 2021 eine zweijährige Untersuchungsphase zu einer europäischen Zentralbankwährung, dem digitalen Euro, gestartet.4

Eine Zentralbankenwährung ist eine Form von digitaler Währung, die sowohl auf Kryptotechnologien wie DLT als auch auf einer zentralisierten Datenbank basieren kann. Sie werden von Zentralbanken herausgegeben, was sie weitaus weniger risikobehaftet als Kryptowährungen macht. Eingesetzt werden soll diese Form der Währung zur Verrechnung und Zahlungsabwicklung sowohl bei Retailzahlungen, also Zahlungen von Endnutzern als Alternative zu Bargeld (Retail-CBDC), als auch bei Wholesale-Transaktionen (Wholesale-CBDC), die in eingeschränkter Form vor allem für Banken zum Einsatz kommen könnten, was den bestehenden digitalen Zentralbankreserven entspricht.5

Welchen Nutzen versprechen CBDCs und Stablecoins?

Es gibt bereits eine Vielzahl von digitalen Zahlungssystemen, die bequem, kostengünstig und weitverbreitet sind. Beispielsweise haben Instant Payments und Open Banking die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs in vielen Teilen der Welt weiter vorangetrieben und einen neuen Mehrwert für Unternehmen und Verbraucher geschaffen. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Innovationen im Bereich der Zahlungssysteme und des Transaktionsbankings fragen sich viele Branchenvertreter, warum CBDCs und Stablecoins überhaupt benötigt werden. Zudem steht die Frage im Raum, welche Probleme durch die Einführung einer digitalen Währung gelöst werden sollen. Daher geht dieser Abschnitt auf das Warum und die Chancen von digitalen Währungen ein (vgl. Abbildung 1).

Chancen von digitalen Währungen, wie CBDCs und Stablecoins

Abbildung 1: Chancen von digitalen Währungen, wie CBDCs und Stablecoins

Digitalisierung: Einer der Haupttreiber ist nach Angaben der Bundesbank die aktuelle Entwicklung der Digitalisierung. Immer mehr Prozesse werden digitalisiert und automatisiert. Reale Güter und Dienstleistungen können durch die Möglichkeiten der DLT als Token abgebildet und digital gehandelt werden, was autonome, programmierbare und automatisierte Leistungsflüsse ermöglicht. Dadurch werden die gegenwärtigen Zahlungssysteme vor neue Herausforderungen gestellt. Um diesen digitalen Wandel zu fördern, muss auch der Zahlungsverkehr revolutioniert und digitalisiert werden.6

Programmierbarkeit und Automatisierung: Generell stellt die Programmierbarkeit eine entscheidende neue Eigenschaft dar, die digitales Geld mit sich bringt. DLT ermöglicht es, den Zahlungsverkehr automatisch mit anderen Prozessen zu verknüpfen. Viele Abstimmungsprozesse können entfallen und wiederkehrende Prozesse vollständig automatisiert werden. Zudem bietet sie die Möglichkeit, über Smart Contracts Leistungs- und Geldflüsse vollständig zu synchronisieren und zu automatisieren. Ein wichtiger Anwendungsfall sind hier Machine-to-Machine Payments im Bereich Internet of Things (IoT).7

Reduktion von Kosten und Ineffizienzen: Digitale Währungen auf Basis von DLT ermöglichen eine Peer-to-Peer-Abwicklung von grenzüber- schreitenden Zahlungen in Echtzeit. Durch den Wegfall von manuellen Prozessen, Clearingsystemen und Intermediären können so große Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen erreicht werden.8 Durch die Einführung einer von den Netzwerkteilnehmern gemeinsam genutzten DLT-Infrastruktur könnte zusätzlich die operative Effizienz stark verbessert werden. Der Umfang an manuellen Abstimmungs- und Compliance-Prozessen wird dadurch verringert, und der Automatisierungsgrad von manuellen Backoffice-Prozessen kann gesteigert werden.

Finanzielle Integrität: Ein wichtiger Vorteil eines CBDCs ist die finanzielle Integrität. Durch CBDC können Steuerhinterziehung und illegale Aktivitäten eingedämmt werden, da die Zentralbank die Transaktionsströme effizienter überwachen kann als bei physischem Bargeld und Geschäftsbankengeld. Auf diese Weise können Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche (AML) und Terrorismusfinanzierung effizienter umgesetzt werden.

Finanzielle Inklusion:  Digitales Geld bietet im Zusammenhang mit der finanziellen Eingliederung erhebliche Vorteile in Ländern, in denen der Anteil der Menschen ohne Bankverbindung besonders hoch ist.9 Tokenisierte CBDCs und Stablecoins bieten eine alternative Lösung, um auch Menschen ohne Bankkonto den Zugang zu digitalen Zahlungsverkehrsökosystemen zu ermöglichen.

Auswirkungen und Handlungsempfehlung für Banken

Auch wenn die Chancen eines CBDCs oder Stablecoins vielversprechend klingen, ohne gravierende Veränderungen – extern sowie intern – der heutigen Zahlungsverkehrsinfrastrukturen wird es nicht gehen. Was die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung oder eines Stablecoins für die Banken konkret bedeutet, ist noch weitgehend offen.

Eine für den Endkunden wahrscheinlich nur geringe Änderung könnte die Geschäftsgrundlage der Banken erheblich verändern. Sowohl private als auch die öffentlichen Bereiche werden sich dieser Entwicklung nicht entziehen können. Aus diesen Entwicklungen resultieren in Zukunft nicht nur erhebliche Auswirkungen auf den rechtlichen und regulatorischen Rahmen und die Reichweite digitaler Zahlungen, sondern vor allem auch auf die Geschäftsprozesse und Strukturen von Finanzinstituten. Daher ist es für Banken umso wichtiger, sich schon jetzt prospektiv auf diese Veränderung vorzubereiten (vgl. Abbildung 2).

Handlungsempfehlung für Banken

Abbildung 2: Handlungsempfehlung für Banken

Somit ist im ersten Schritt zu verstehen, welche Auswirkungen CBDCs und Stablecoins auf eigene Geschäftsmodelle, Prozesse und die Systemlandschaft haben werden. Auch wenn viele der Systeme zur Unterstützung der CBDCs in ihren verschiedenen Formen erst noch aufgebaut werden müssen, sind sie dennoch unvermeidlich.

Wichtig ist es daher, schon heute Integrationsaufwand einzuplanen und sich mit dem Aufbau einer neuen Infrastruktur auf diese Entwicklungen vorzubereiten. Das bedeutet unter anderem, bereits jetzt die eigene IT- und Datenarchitektur zu bewerten – insbesondere um die Systeme zu ermitteln, die eine Einführung von CBDC und Stablecoins einschränken könnten.

Und die Konkurrenz für Banken ist auch schon startklar. FinTechs und BigTechs entwickeln bereits Lösungen für die Digitalisierung des Bargeldes. Neben der öffentlichen Seite werden die Banken zunehmend von privaten Akteuren beeinflusst, die neue Technologien im Bereich der Zahlungsabwicklung einsetzen. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass sich Banken den neuen Wettbewerbern im Zahlungsverkehr frühzeitig stellen und eigene DLT- basierte Lösungsansätze für die Zahlungsabwicklung (mit-)entwickeln. Die Nachfrage nach innovativen Zahlungsmitteln in Form von digitalen Währungen ist groß, und die Banken sollten die Bedürfnisse nach innovativen Zahlungslösungen bedienen.

Die Frage ist also nicht, ob digitale Währungen kommen, sondern wann und von wem.

Die Digitalisierung des Geldes ist nicht mehr aufzuhalten und wird das Banking der Zukunft maßgeblich verändern. Daher ist es umso wichtiger, dass sich Finanzinstitute bereits heute auf diese Veränderungen vorbereiten und die globale Diskussion um Central Bank Digital Currencies und private Stablecoins genau und nachhaltig verfolgen – oder besser noch, aktiv mitgestalten!

Blitz auf schwarz

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Quellen
Jan Haas

Jan Haas

berät bei msg for banking Kreditinstitute und Zahlungsdienstleister im Bereich Payments. Er ist Experte In den Themengebieten Digital Money, CBDCs und Crypto Assets und ist ein erfahrener Referent sowie Autor von Fachpublikationen und Blogbeiträgen.

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