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Energetische Sanierung – ein zentrales Geschäftsfeld für Banken

NEWS 01/2025

Auch wenn der volkswirtschaftlich gesehen dringende Neubau von Immobilien angesichts des starken Kostenanstiegs in Kombination mit der Vielzahl an baurechtlichen Vorschriften weit hinter den Erwartungen zurück bleibt, wächst der Markt für energetische Sanierungen kontinuierlich. Trotz dieser Entwicklung besteht weiterhin ein erheblicher Modernisierungsstau, insbesondere im Bereich der öffentlichen Gebäude. Um die Lücke durch den Neubaueinbruch zu reduzieren, bietet der Markt für energetische Sanierungen zweifelsfrei ein sehr großes Ertragspotenzial für Banken.

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Energetische Sanierung, NEWS 01/2025

Einführung

Der Immobilienmarkt zeigt sich zweigeteilt. Der volkswirtschaftlich gesehen dringende Neubau von Immobilien bleibt auch angesichts des starken Kostenanstiegs in Kombination mit der Vielzahl an baurechtlichen Vorschriften weit hinter den Erwartungen zurück. Entsprechend ist an dieser Stelle das Neugeschäftsvolumen an Immobilienkrediten stark zurückgegangen.

Andererseits wächst der Markt für energetische Sanierungen kontinuierlich. Im Jahr 2023 beliefen sich die Investitionen in Maßnahmen wie Dämmung, Fenster- und Türerneuerungen sowie Heizungstausch auf 72 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anstieg von zwölf Milliarden Euro im Vergleich zu 2021 (DIW Berlin, 2024).1

Trotz dieser Entwicklung besteht weiterhin ein erheblicher Modernisierungsstau, insbesondere im Bereich der öffentlichen Gebäude. Studien der Deutschen Energie-Agentur (dena) zeigen, dass bis 2045 Investitionen von rund 120 Milliarden Euro allein für die Sanierung öffentlicher Nichtwohngebäude erforderlich sind (dena, 2024).2

Ungefähr 13 Millionen beziehungsweise zwei Drittel der Bestandsimmobilien in Deutschland stammen aus der Zeit vor 1979. Sie wurden noch ohne Anforderungen an die Energieeffizienz gebaut.3 Der Modernisierungsstau rückte mit dem GEG (Gebäudeenergiegesetz, umgangssprachlich Heizungsgesetz) in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung.

Letztlich ist die Notwendigkeit der energetischen Sanierung aber in großen Teilen unabhängig von der Regulatorik (auch getrieben vom CO2-Preis). Dafür sorgen steigende Energiekosten sowie Abschläge beim Verkauf unsanierter Immobilien. Darauf ist unten zurückzukommen.

Um die Lücke durch den Neubaueinbruch zu reduzieren, bietet der Markt für energetische Sanierungen zweifelsfrei ein sehr großes Ertragspotenzial für Banken.

Steigende regulatorische Anforderungen

Banken reagieren auf die skizzierte Marktdynamik im Geschäftsfeld energetische Sanierung unterschiedlich. Einige Institute beschränken sich auf den gezielten Abschluss von Förderdarlehen und die Durchführung von Aufklärungskampagnen. Manche unterstützen die Kreditnehmer im Kreditvergabeprozess mit einem Bewertungstool, das ausgewählte Modernisierungs- beziehungsweise Sanierungsmaßnahmen mit einer grob abgeschätzten CO2– und/oder Energieeinsparung kombiniert. In den meisten Fällen fehlt es jedoch an spezifischen Werkzeugen zur verlässlichen Bewertung und Berechnung von Energieeinsparungen, obwohl Banken mittlerweile mit steigenden regulatorischen Anforderungen in diesem Bereich konfrontiert werden.

So fordert die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) mit der Richtlinie EBA/GL/2025/014 eine stärkere Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG) im Risikomanagement. Transitionspläne werden dabei als Schlüsselelement für die Anpassung der Geschäftsmodelle an Nachhaltigkeitsziele betrachtet.5

Gemäß Abschnitt 2.2 Tz.17 EBA/GL/2025/01 sind die finanziellen Risiken zu quantifizieren, die aus einer Kreditportfoliozusammensetzung resultieren, die dazu führt, dass die EU-Ziele für nachhaltiges Wirtschaften verfehlt werden.

Tz.15 fordert einen in sich geschlossenen und umfassenden strategischen Planungsprozess, der alle gesetzlichen und regulatorischen Vorschriften, aber auch die zur Geschäftsstrategie und zum Risikomanagement abdeckt.

Aus alledem folgt in diesem Kontext, dass Institute erstens eine Bestandsaufnahme zu ihren Immobilienkreditportfolios in Bezug auf die Umweltwirkungen durchführen müssen und zweitens einen Mehrjahresplan für die Realisierung des Soll-Immobilienkreditportfolios benötigen.

Optimierung der Green Asset Ratio (GAR)

Das Ausmaß, in dem Banken energetische Sanierungsmaßnahmen finanzieren, hat direkten Einfluss auf nachhaltigkeitsbezogene Berichtspflichten nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der EU-Taxonomie.

Finanzinstitute müssen als KPI für ihre nachhaltigen Kreditgewährungen die Green Asset Ratio (GAR) angeben. Auswertungen der Nachhaltigkeitsberichte der Vorjahre zeigen, dass Wohnimmobilienkredite einen entscheidenden Faktor darstellen, um das Kreditportfolio einer Bank nachhaltiger zu gestalten und die GAR zu optimieren (CRIF, 2024).6

Die Einhaltung der EU-Taxonomie kann durch gezielte Sanierungsmaßnahmen sichergestellt werden. Dies umfasst etwa die Erfüllung der Kriterien für eine große Renovierung gemäß GEG oder eine mindestens 30-prozentige Reduktion des Primärenergiebedarfs im Vergleich zum Ausgangszustand (DGNB, 2023).7

Für Banken geht es beim Ausweis der GAR auch um Reputation und Image in der Öffentlichkeit. Deshalb sind hier zunehmend auch Preisdifferenzierungen zu beobachten („grüne“ Kredite sind c. p. günstiger als „graue“ Kredite).

Softwaregestützte Lösungen erforderlich

Analysiert man den Bankenmarkt, so zeigt sich, dass einige Institute zwar bereits Sanierungsrechner und Beratungsangebote zur Verbesserung der Energieeffizienz in ihren Kreditvergabeprozess integriert haben. Dennoch besteht ein Defizit an wissenschaftlich anerkannten Berechnungsmethoden, die sowohl ökonomische als auch ökologische Aspekte umfassen. Diesen Bedarf deckt das gemeinsam von msg for banking und dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP entwickelte Softwaretool eva.real ab.8

Die Weiterentwicklung dieser Lösung vergleicht die ökonomische und ökologische Ausgangsituation vor der Sanierung mit der Situation nach der Sanierung. Der Kreditnehmer/Investor, aber auch die finanzierende Bank bekommt somit einen exakten Einblick, wie sich unter anderem der CO2-Ausstoß und der Energieverbrauch ändern, welches Investitionsvolumen einzusetzen ist und welche Werterhöhung bezogen auf den Restlebenszyklus der Immobilie resultiert. Außerdem wird exakt finanzmathematisch kalkuliert, zu welchem Zeitpunkt der Break-even-Point erreicht wird.

Weitere Vorteile des Tools bestehen in der direkten Integration der Finanzierung samt potenziellen Prolongationen, einer detaillierten Kostenkalkulation basierend auf aktuellen Marktpreisen sowie auf Wunsch die Berücksichtigung steuerlicher Aspekte.9

Banken, Immobilieneigentümer und Kommunen erhalten damit eine fundierte Entscheidungsgrundlage für die energetische Sanierung.

Auswirkungen durch die aktuellen politischen Entwicklungen

Die US-amerikanische Regierung tritt bekanntlich beim Klimaschutz auf die Bremse, und auch die BaFin fordert einfachere und klarere Regeln bei der ESG-Regulatorik. Der europäische Gesetzgeber ist ebenfalls nicht untätig. Die Omnibus-Verordnung etwa soll die weitreichenden Nachhaltigkeitsberichterstattungspflichten entschlacken.10

Insgesamt drängen weltweit die derzeitigen politischen Prioritäten die Nachhaltigkeits- und Klimaziele eher in den Hintergrund.

Benötigen Banken, die bislang noch über keinen Sanierungsrechner verfügen, angesichts dieser neuen politischen Ausgangssituation, überhaupt noch über ein Tool wie eva.real für die Immobilienbewertung bei neuen Bauvorhaben oder energetischen Sanierungen?

Die Antwort lautet ganz klar: Ja! Denn unabhängig von den politischen Agenden dieser Tage sprechen zahlreiche wirtschaftliche, strategische und gesellschaftliche Gründe dafür, weiterhin die energetische Sanierung von Bestandsimmobilien voranzutreiben. Die damit verbundenen Maßnahmen bieten langfristige Vorteile für alle Immobilienbesitzer, seien es Unternehmen, Kommunen, Privatpersonen, sowie die finanzierenden Banken, die ihr Kreditportfolio transformieren.

Selbst wenn Umweltauflagen möglicherweise gelockert werden, bleiben die wirtschaftlichen und strukturellen An- reize für nachhaltige Sanierungen bestehen: Der Anstieg des CO2-Preises und des Preises für fossile Brennstoffe ist davon unabhängig vorgezeichnet.

Ein wesentlicher Vorteil der energetischen Modernisierung liegt in der Reduzierung der Betriebskosten. Effiziente Gebäude verbrauchen weniger Energie für Heizung, Kühlung und Beleuchtung, was insbesondere in Zeiten volatiler Energiepreise finanzielle Stabilität schafft.

Investitionen in energieeffiziente Technologien, wie bessere Dämmungen, moderne Heizsysteme oder smarte Energiemanagementsysteme, führen langfristig zu erheblichen Einsparungen. Zudem steigt der Wert sanierter Immobilien, da vor allem die letzten Jahre gezeigt haben, dass Investoren und Käufer zunehmend auf Nachhaltigkeitskriterien achten.

Widerstandsfähigkeit der Energieinfrastruktur

Ein weiteres zentrales Argument für die Fortführung energetischer Sanierungsmaßnahmen ist die Reduzierung

der Abhängigkeit von Energieimporten. Auch wenn beispielsweise die neue US-Regierung den Ausbau fossiler Energien wieder forciert, bleibt die Versorgungssicherheit ein kritischer Faktor.

Durch einen geringeren Energieverbrauch sinkt die Notwendigkeit, Öl und Gas aus geopolitisch instabilen Regionen zu importieren. Gleichzeitig entlasten energieeffiziente Gebäude das Stromnetz und erhöhen die Widerstandsfähigkeit der Energieinfrastruktur. Dies stärkt die nationale Sicherheit und reduziert die Anfälligkeit der Wirtschaft für plötzliche Energiepreisschocks.

Auch aus wirtschaftlicher Sicht ist der Sanierungsmarkt ein wichtiger Wachstumssektor. Die Bau- und Handwerksbranche profitiert von steigenden Investitionen in nachhaltige Gebäude, wodurch Arbeitsplätze in verschiedenen Bereichen – von Ingenieurwesen über Architektur bis hin zum Handwerk – geschaffen werden.

Energetische Sanierungen fördern außerdem Innovationen und treiben die Entwicklung neuer Technologien voran, die langfristig sowohl im Inland als auch im internationalen Wettbewerb Vorteile verschaffen. Die Nachfrage nach energieeffizienten Bau- und Sanierungslösungen bietet wiederum den Banken zusätzliche hohe Ertragspotenziale.

Erhöhte regulatorische Risiken bei Verzug

Immobilienbesitzer, unabhängig davon, ob es sich um Privatpersonen, Unternehmen oder Kommunen handelt, schützen sich zudem vor zukünftigen regulatorischen Risiken, wenn sie frühzeitig in die energetische Sanierung und damit in die Energieeinsparung investieren. Sollte nämlich eine spätere Regierung wieder strengere Umweltauflagen einführen, könnten Gebäude, die dann immer noch ineffizient sind, nur unter erhöhtem Kostenaufwand modernisiert werden.

Nachfolgend richten wir exemplarisch den Blick auf die energetische Sanierung von Bestandsimmobilien bei Kommunen.

Energetische Sanierung kommunaler Immobilien

Die energetische Sanierung ist für die Kommunen ein zentraler Hebel zur Erreichung der Klimaziele und zur Erfüllung regulatorischer Anforderungen. Die energetische Bestandsbewertung bildet dabei die Grundlage für eine Strategie zur Dekarbonisierung des kommunalen Gebäudebestands. Um eine niederschwellige und praxisnahe Bewertung durchzuführen, kann eine initiale Bestandsaufnahme im Rahmen einer Vorstudie erfolgen, die aus den folgenden Schritten besteht.

  1. Erfassung und Analyse des Gebäudeportfolios
    Der erste Schritt besteht in der Sichtung des kommunalen Gebäudeportfolios hinsichtlich der Verfügbarkeit von Energieausweisen. Hierbei wird geprüft, für welche Gebäude bereits Energieausweise vorliegen und in welchem Umfang energetische Daten vorhanden sind. Diese Energieausweise werden anschließend digital erfasst.
    Für Gebäude, zu denen keine energetischen Informationen vorliegen, muss eine Schätzung der Energiekennwerte erfolgen, etwa mithilfe des Tools eva.real.
    Basierend auf diesen Daten werden die CO₂-Emissionen der jeweiligen Gebäude ermittelt, wobei die Berechnung unter Berücksichtigung des aktuellen Strommix erfolgt.
    Das Ergebnis dieses Prozesses ist eine vollständige Erfassung des kommunalen Gebäudebestands, inklusive relevanter Energiekennwerte und CO₂-Emissionen.
  1. Einordnung in den Dekarbonisierungspfad
    Nachdem das gesamte Portfolio digital erfasst wurde, erfolgt eine Einordnung der Gebäude in den Dekarbonisierungspfad gemäß der CREEM-Methode.11 Hierbei wird analysiert, inwieweit die einzelnen Gebäude mit den angestrebten Klimazielen übereinstimmen und welche Maßnahmen notwendig sind, um die CO₂-Emissionen sukzessive zu reduzieren.
    Ein entscheidender Schritt in diesem Prozess ist die Priorisierung der Gebäude hinsichtlich ihres Sanierungsbedarfs und ihres Dekarbonisierungspotenzials. Dabei werden energetische Schwachstellen identifiziert und Maßnahmen abgeleitet, die eine möglichst hohe Emissionsreduktion bei wirtschaftlich vertretbarem Aufwand ermöglichen.
  2. Vorbereitung und Ausarbeitung von Sanierungsmaßnahmen
    Die für die energetische Sanierung priorisierten Gebäude werden anschließend für eine detaillierte Analyse vorbereitet. Hierbei werden potenzielle Sanierungsmaßnahmen ausgearbeitet, die sowohl die ökologischen als auch die ökonomischen Aspekte berücksichtigen.

Diese Maßnahmen werden hinsichtlich ihrer Kosten und ihres Dekarbonisierungspotenzials bewertet, um den kommunalen Entscheidungsträgern eine faktenbasierte Grundlage zur Durchführung der Sanierungsmaßnahmen zu bieten.

In der Praxis wird zunächst ein repräsentatives Gebäude aus dem Immobilienportfolio ausgewählt, für das konkrete Sanierungsmaßnahmen detailliert ausgearbeitet werden. Hierbei werden sowohl bauliche Maßnahmen als auch mögliche Fördermöglichkeiten betrachtet. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen als Blaupause für eine systematische Umsetzung der Dekarbonisierungsstrategie in der gesamten Kommune.

Durch diesen strukturierten Prozess erhalten Kommunen eine klare Orientierung für die energetische Sanierung ihres Gebäudebestands. Gleichzeitig ermöglicht die Methodik eine fundierte Entscheidungsfindung, die sowohl die regulatorischen Anforderungen als auch wirtschaftliche Aspekte in den Blick nimmt – das Erreichen der Klimaziele auf kommunaler Ebene kann so erst ermöglicht werden.

Fazit

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass trotz der aktuellen politischen Veränderungen die hohen Ansprüche an den Planungsprozess energetischer Sanierungsmaßnahmen erhalten bleiben. Daher bleibt der Einsatz einer leistungsfähigen Software wie eva.real12 unverändert erforderlich. Denn wer transparent Kosten, Risiken und ökologische Effekte energetischer Sanierungsmaßnahmen aufzeigen kann, wird langfristig von den Vorteilen der Energieeinsparungen und Nachhaltigkeit profitieren.

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Transparenz über die ökonomische und ökologische Bilanz von Immobilien

Das Bewertungstool eva.real ermittelt ökologische und ökonomische Kennzahlen und dokumentiert die Umweltauswirkung von Immobilien über den gesamten Lebenszyklus - von der Errichtung über die Nutzung bis hin zum Abriss.

Quellen
Manuela Ender

Prof. Dr. Manuela Ender

ist als Fachexpertin für Risikomanagement, Kapitalmärkte und Themen der Banksteuerung für msg for banking im Einsatz. Daneben ist sie als Professorin für FinTech an der IU Internationale Hochschule aktiv.

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