Fachartikel

Studie Sustainable Banking 2024: Fortschritte und Handlungsbedarf der Institute auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit

NEWS 03/2024

Die Bankenbranche ist in einer Schlüsselposition bei der Transformation der Volkswirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit. Die Institute entscheiden insbesondere im Firmenkundengeschäft, aber auch bei der Immobilienfinanzierung, in welchem Umfang grüne Investitionen finanziert werden. Gleichzeitig wirken sich ESG-Risiken auf das Risikomanagement der Institute aus. Gerade Firmenkunden sind unterschiedlichen physischen und transitorischen Risiken ausgesetzt. Mit der Fortsetzung unserer Studie "Sustainable Banking" zeigen wir, welche Fortschritte die Kreditwirtschaft bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsanforderungen seit 2021 gemacht hat.

1560
8 Minuten Lesezeit
Sustainable Banking 2024, Studienupdate, NEWS 03/2024

Überblick – Sustainable Banking

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist in der Breite der Bevölkerung angekommen. Wenngleich damit zumeist die sogenannten ESG-Faktoren gemeint sind, dominiert der Klimawandel alle anderen Themen, da er inzwischen deutlich erlebbar ist. Die Starkregenereignisse der letzten Jahre, verbunden mit zerstörerischen Hochwasserschäden und vielen Todesopfern sind schlimme Realität. Die Politik, speziell die EU, greift auch deshalb immer stärker über die Gesetzgebung ein.

Die dramatischen Berichte des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), kurz Weltklimarat, greifen auch die Verbindung zwischen Menschen, Natur und Klima auf. So hat der Verlust der Biodiversität massive Folgen für Menschen, Tieren und Pflanzen. CO2-bindende Ökosysteme verstärken im Fall ihrer Zerstörung den Klimawandel.1 (Nur?) Optimisten halten die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts noch für machbar.

Die Bankenbranche ist in einer Schlüsselposition bei der Transformation der Volkswirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit. Die Institute entscheiden insbesondere im Firmenkundengeschäft, aber auch bei der Immobilienfinanzierung, in welchem Umfang grüne Investitionen finanziert werden. Gleichzeitig wirken sich ESG-Risiken auf das Risikomanagement der Institute aus. Gerade Firmenkunden sind unterschiedlichen physischen und transitorischen Risiken ausgesetzt.

Deshalb hängt der Umbau der Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit sehr stark von der Kreditpolitik der Bankwirtschaft ab. Mit der Fortsetzung unserer Vorgängerstudien aus 2021 und 2022 zeigen wir, welche Fortschritte die Kreditwirtschaft bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsanforderungen gemacht hat.2

An dieser Stelle geben wir Ihnen einen prägnanten Einblick in die Studienergebnisse.3

Regulierung und anstehende Regulierungsmaßnahmen

Insbesondere die Umwelt- und Sozialrisiken wirken auf die traditionellen finanziellen Risiken wie Kredit-, Markt- und operationelle Risiken ein. Der Bericht der EBA (EBA/REP/2023/34) empfiehlt daher, den aufsichtsrechtlichen Rahmen anzupassen. Im Rahmen der neuen CRR III/CRD VI sind Umweltrisiken in Stresstests einzubeziehen. Etwa ein Viertel der Institute hat diese Empfehlung bereits umgesetzt, weitere knapp 50 Prozent haben sich dies für den Verlauf des Jahres 2024 vorgenommen. Gut zwei Drittel – und damit die Mehrheit der Institute – plant, die weiteren Empfehlungen noch in diesem Jahr zu realisieren.

Die EU-Sozialtaxonomie wird sozial nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten klassifizieren und einen verbindlichen Leitfaden hierfür entwickeln. Die befragten Banker stehen dieser Bestrebung weitgehend wohlwollend gegenüber. Ein Viertel der Finanzexperten begrüßt die Entwicklung einer EU-Sozialtaxonomie und stuft sie als konsequent ein, die Hälfte erkennt sie ebenfalls als folgerichtig an, sieht aber in der Entwicklung einer EU-Sozialtaxonomie noch zu große definitorische Probleme. Rund ein Fünftel lehnt sie wegen des bürokratischen Aufwands ab – möglicherweise schreckt die EU-Taxonomieverordnung ab, die bereits zu hohen Aufwänden führt.

Der Gesetzgeber plant die Konkretisierung der Ziele für sozial nachhaltige Unternehmensaktivitäten (S-Ziele). Knapp 30 Prozent der Institute berücksichtigen

S-Ziele bereits in ihrer Nachhaltigkeitsbeurteilung bei Kreditentscheidungen. Etwa die Hälfte der Institute plant dies für 2024, wobei jeweils rund 60 Prozent die S-Ziele in das bankintern erstellte ESG-Scoring integrieren wollen beziehungsweise das Kreditrating adjustieren werden. Die Institute sind hier schon auf einem guten Weg.

Wertpapieremissionen und Kreditvergabeprozess

Der Anleihemarkt bietet bereits neue Möglichkeiten für nachhaltiges Investieren, etwa in Form von Green Bonds, Sustainability-Linked Bonds oder Social Bonds. Die Durchsetzungskraft der letztgenannten nachhaltigen Anleihen wird allerdings eher skeptisch gesehen. Lediglich ein Viertel der Befragten kann sich vorstellen, dass Social-Linked Bonds und Social-Linked Loans eine hohe Verbreitung finden werden. Rund drei von zehn Finanzexperten sind davon überzeugt, dass Social Bonds allenfalls ein Nischenprodukt bleiben werden, vgl. Abbildung 1.

Sustainable Banking, Studie, Einschätzung der Entwicklung von nachhaltigen Anleihen und Krediten

Abbildung 1: Einschätzung der Entwicklung von nachhaltigen Anleihen und Krediten

Naheliegenderweise könnten die Entwicklungen auf dem Anleihemarkt auch auf das Kreditgeschäft durch- schlagen. Immerhin gehen gut 40 Prozent der Befragten davon aus, dass Unternehmenskredite zukünftig mehr an das Erreichen konkreter Nachhaltigkeitsziele gebunden sind (Sustainability-Linked Loans). Knapp 40 Prozent erwarten, dass sich diese Verknüpfung auf den großvolumigen Firmenkundenbereich beschränken wird.

Das Aufsichtsrecht fordert das Einbeziehen der ESG-bedingten Risiken des Kreditnehmers in die Kreditvergabeentscheidung. Laut BaFin-Merkblatt benötigen die Institute eine Checkliste mit Ausschlusskriterien bei der Kreditvergabe. Ebenso kann eine Positivliste eingesetzt oder der Best-in-Class-Ansatz verfolgt werden. Angesichts der von der BaFin schon für 2024 angekündigten Sonderprüfungen zu ESG mutet es riskant an, dass nur ein knappes Drittel der Befragten diesen Prozess bereits abgeschlossen hat und 40 Prozent erst dabei sind, die Kriterien zu erstellen.

Die BaFin fordert die Institute auf, ESG-Risiken in den Risikoklassifizierungsverfahren zu berücksichtigen.4 Derzeit ist noch offen, wie dies gelingen kann. Rund 80 Prozent der Institute möchten bis Ende 2026 die ESG-Faktoren explizit in ihr Kreditrating integrieren. Dabei streben zwei Drittel eine Ergänzung des qualitativen Teils des Kreditratings an.

Risikomanagement

Die MaRisk-Novelle 2023 verpflichtete alle Institute, ESG-Risiken ins Risikomanagement zu integrieren. Zwei Drittel der Institute haben die ESG-Risiken bereits in den „Risikoappetit“ eingearbeitet. Jeweils rund 45 Prozent realisieren dies über die Anpassung der Strukturlimits oder des Limitsystems, während die restlichen 10 Prozent einen Puffer festlegen.

Bei der Szenariomodellierung des aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Klimastresstests wird zwischen transitorischen und physischen Risiken differenziert. Rund zwei Drittel der Institute können Flutrisiken unter Berücksichtigung der geografischen Lage im Laufe des Jahres 2024 abbilden, bei den transitorischen Risiken des Firmenkundenkreditportfolios einen branchenweiten PD-Shift ableiten und bei immobilienbesicherten Positionen den LGD-Stress anhand von EPC- Leveln5 modellieren. Im Laufe des Jahres 2025 wird diese Quote auf rund 90 Prozent ansteigen.

Die EZB hat den Instituten eine Frist bis Ende 2024 gesetzt, um die Mängel gemäß der aufsichtlichen Erwartungen in Bezug auf Klima- und Umweltrisiken zu beheben. Ein gutes Drittel der Institute wird die angemahnte vollständige Integration in die ökonomische und normative Risikotragfähigkeit (ICAAP6) und die Stresstests nicht fristgerecht umsetzen können. Diese Institute laufen demnach Gefahr, von der Aufsicht sanktioniert zu werden.

Sustainable Banking, Studie, Umgang mit ESG-Risiken in den Risikoklassifizierungsverfahren

Abbildung 2: Umgang mit ESG-Risiken in den Risikoklassifizierungsverfahren

Sustainable Banking, Studie, Auswirkungen durch Nachhaltigkeit auf das Geschäftsmodell und die Geschäftsstrategie

Abbildung 3: Auswirkungen durch Nachhaltigkeit auf das Geschäftsmodell und die Geschäftsstrategie

Auswirkungen auf die Geschäftsstrategie und die Geschäftsmodelle der Banken

Nachhaltigkeit ist aus strategischer Sicht von zentraler Bedeutung und betrifft nahezu alle Bereiche der Institute – beispielsweise die Produktstrategie, den laufenden Geschäftsbetrieb, die Unternehmensführung und -kultur, die Personalstrategie und den Marktauftritt – gleichermaßen stark: Die Nennungen liegen ungefähr zwischen 40 und 60 Prozent. Am stärksten wirkt sich Nachhaltigkeit im Rahmen der Produktstrategie auf das Kreditgeschäft aus. 60 Prozent sind dieser Auffassung. Die Auswirkung auf das Anlagegeschäft wird von rund 40 Prozent eher als gering eingeschätzt.

Nachhaltigkeitsberichterstattung, EZB- Erwartungshaltung, Datenanforderungen

Die „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) beziehungsweise die ergänzenden „European Sustainability Reporting Standards“ (ESRS) verpflichten zahlreiche Banken – in Abhängigkeit von ihrer Größe – entweder im Jahr 2025 oder im Jahr 2026 zu einer anspruchsvollen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Problematisch ist vor allem die Beschaffung von relevanten Daten und der Einsatz passender Softwarelösungen, denn beides bindet erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen. Der Aufwand für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung wird von drei Viertel der Banken auf mehr als 100 Projekttage geschätzt. Die Hälfte der Institute kommt ausschließlich mit eigenen Ressourcen zurecht. Das heißt, die andere Hälfte benötigt zusätzlich externe Unterstützung.

Tools zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung werden von vielen Finanzhäusern in Anspruch genommen. Jeweils ein Drittel setzt bei der Berichterstattung auf eine rein externe oder hybride Lösung. Knapp 40 Prozent greifen dagegen ausschließlich auf interne Softwarelösungen zurück. Dabei wird der Kostenanteil von Softwareprodukten auf durchschnittlich 16 Prozent geschätzt, während der Aufwand für die Datenbeschaffung bei durchschnittlich 24 Prozent liegt.

Für die Offenlegung von Nachhaltigkeitsrisiken benötigen die Institute verlässliche Daten zur Abschätzung der Auswirkungen von Transitions- und physischen Risiken auf die bankeigene Bilanz beziehungsweise die Finanzinstrumente. Jedes zweite Institut vermag bereits die erforderlichen Daten aus den publizierten Nachhaltigkeitsberichten der Firmenkunden zu extrahieren und für die eigenen Berichtsanforderungen zu nutzen. Nicht sehr viel weniger Institute (39 Prozent) warten jedoch auf Lösungen von bestehenden Dienstleistern und/oder Verbänden. Nur wenige Banken (13 Prozent) planen, diese Daten gesondert bei ihren Firmenkunden zu erheben.

Die EZB hatte den Reifestand der Institute im Umgang mit Klimarisiken bemängelt und deshalb eine Frist bis Ende 2024 für die Mängelbeseitigung gesetzt. Uns interessierte daher der Integrationsstand von Klima- und Umweltrisiken in der ökonomischen und normativen Risikotragfähigkeit (ICAAP) und den Stresstests. Etwa jedes dritte Institut wird die Anforderungen beziehungsweise die Erwartungen der EZB nicht fristgerecht umgesetzt haben. Nur 17 Prozent haben diese bereits komplett umgesetzt, 46 Prozent stellen eine vollständige Umsetzung bis Ende 2024 in Aussicht. Die verbleibenden 37 Prozent der Banken werden es nicht schaffen, die Anforderungen fristgerecht vollständig zu erfüllen. Hier droht also das Nachfassen durch die aufsichtsrechtliche Prüfung.

Umsetzungshemmnisse

Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit sind auch Hemmnisse zu überwinden. Nur rund 10 Prozent halten die Personalkapazitäten für ausreichend. Rund 85 Prozent konstatieren zu geringes Fachwissen. Die Lücke muss insbesondere durch interne und externe Schulungen geschlossen werden. Technische Rahmenbedingungen, wie die unzureichende Verfügbarkeit von Daten oder benötigter Software, hemmen jedes dritte Institut. 60 Prozent der Banken mit Softwareproblemen führen dies auf eine zu langsame Implementierung durch den Softwareanbieter zurück. Soweit die Banker Datenverfügbarkeit als Umsetzungsproblem ansehen, resultiert dies für knapp die Hälfte aus der Vielzahl unterschiedlicher Datenquellen, die die Konsistenz und Verarbeitbarkeit der Daten einschränken.

Zusammenfassung

Unser Update zu den Studien aus den Jahren 2021 und 2022 bestätigt, dass sich die Banken den umfangreichen nachhaltigkeitsbedingten Aufgaben stellen. Doch die Institute, die Politik, aber auch die Gesellschaft haben noch eine anspruchsvolle Wegstrecke vor sich. Immerhin kann die Bankwirtschaft an einigen Stellen deutliche Fortschritte verzeichnen. Banken mit ausgeprägten Lücken in der Umsetzung der Anforderungen laufen Gefahr, von der Aufsicht in den von ihr angekündigten Sonderprüfungen „angezählt“ zu werden.

Bezogen auf die Umsetzung der vielfältigen, insbesondere regulatorischen Anforderungen an die Bankwirtschaft gibt es an manchen Stellen immerhin Fortschritte zu verzeichnen. Freilich besteht wie in den anderen Branchen auch hier noch viel Luft nach oben.

Sustainable Banking, Studie, zentrale Ergebnisse

Abbildung 4: Zentrale Ergebnisse der Studie

Die Kreditwirtschaft bemüht sich, ihrer Schlüsselrolle bei der Transformation der Wirtschaft gerecht zu werden. Ökobanken beweisen seit Längerem, dass Nachhaltigkeit auch kaufmännisch erfolgreich sein kann. Insgesamt liegt aber noch eine steile Wegstrecke vor den Kreditinstituten, die es zu bewältigen gilt. Und die Zeit zu handeln, wird immer knapper. Doch die Alternative, nämlich nichts zu tun, wäre fatal. Sie würde um ein Vielfaches teurer kommen und den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Zukunft verbauen. Hoffen wir gemeinsam, dass die vielfältigen Weichenstellungen zum Erfolg führen.

Quellen und weiterführende Hinweise
  • 1. Vgl. zur dramatischen Entwicklung World Meteorological Organization, 2022.
  • 2. Für die vorliegende Studie wurden 150 Fach- und Führungskräfte aus verschiedenen Bereichen in Banken und Finanzinstituten aus Deutschland (100) und Österreich (50) zum Status quo der Nachhaltigkeit in ihrem Institut und nach ihrer persönlichen Meinung zu diesem Thema befragt.
  • 3. Sustainable Banking - Studie 2024, msg for banking, Banking.Vision, Dezember 2024
  • 4. Siehe BaFin-Anschreiben an die Verbände der Kreditwirtschaft zur Umsetzung der MaRisk-Novelle 2023.
  • 5. PD = Probability of Default, Ausfallwahrscheinlichkeit, LGD = Loss Given Default, Verlustquote bei Ausfall, EPC = European Payments Council.
  • 6. Internal Capital Adequacy Assessment Process.
  • 7. Nachfolgend wird nur auf die GAR Bezug genommen. Die BTAR gibt zusätzliche Informationen über die Taxonomie-Konformität von Risikopositionen gegenüber nichtfinanziellen Unternehmen an, die nicht den Offenlegungspflichten der CSRD unterliegen.
Konrad Wimmer

Prof. Dr. Konrad Wimmer

ist promovierter Diplom-Kaufmann und bei msg for banking für die strategische Themenentwicklung verantwortlich. Sein Fokus liegt auf den Themen Sustainable Finance, Bankcontrolling, Finanzmathematik, Geschäftsfeldsteuerung, wertorientierte Vertriebssteuerung und Risikomanagement. Er berät Banken zu diesen Themen und ist erfahrener Referent und Autor.

Schreiben Sie einen Kommentar

Sie müssen sich anmelden, um einen Kommentar zu schreiben.