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Kreditzweitmarktgesetz – ein Überblick über die wesentlichen Inhalte

NEWS 02/2024

Das „Gesetz über den Zweitmarkt für notleidende Kredite und über Kreditdienstleistungsinstitute (Kreditzweitmarktgesetz)“ regelt den Verkauf notleidender Kredite, sogenannter Non-Performing Loans (NPLs), von Kreditinstituten an Kreditkäufer und die Erbringung von Kreditdienstleistungen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Inhalte.

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Kreditzweitmarktgesetz, NEWS 02/2024

Hintergrund des Kreditzweitmarktgesetzes

Das „Gesetz über den Zweitmarkt für notleidende Kredite und über Kreditdienstleistungsinstitute (Kreditzweitmarktgesetz)“, abgekürzt KrZwMG, hat die Kreditzweitmarktrichtlinie (EU/2021/2167) vom 24.11.2021 in deutsches Recht umgesetzt.1 Es regelt den Verkauf notleidender Kredite, sogenannter Non-Performing Loans (NPLs),2 von Kreditinstituten an Kreditkäufer und die Erbringung von Kreditdienstleistungen.3

Im Kern geht es der EU darum, die zum Teil hohen Bestände an NPLs in den europäischen Bankbilanzen zu verringern beziehungsweise einen weiteren Anstieg zu verhindern. Hohe NPL-Bestände binden aufsichtsrechtlich benötigtes Eigenkapital und erschweren zumindest im Fall eines Eigenkapitalengpasses die Vergabe neuer Kredite, die aus volkswirtschaftlicher Sicht zur Überwindung von Krisen, wie etwa der Coronakrise, benötigt werden. Deshalb sollen die Institute NPLs an Kreditkäufer marktgerecht veräußern können. Dies soll auf Sekundärmärkten ermöglicht werden, die effizient und transparent organisiert sind. Ziel ist es demnach, den Verkauf von NPL an institutionelle Investoren im Nicht-Bankensektor zu ermöglichen:

„Sollten die Bestände an notleidenden Krediten dennoch zu stark ansteigen, sollten die Kreditinstitute die Möglichkeit haben, diese auf effizienten, wettbewerbsfähigen und transparenten Sekundärmärkten an andere Akteure zu verkaufen.“4

Nach § 1 Abs. 1 S. 1 KrZwMG regelt das Gesetz

  • die Pflichten von Kreditinstituten als Verkäufer notleidender Kredite,
  • die Pflichten von Käufern notleidender Kredite,
  • die Anforderungen an die Erbringung von Kreditdienstleistungen für die Käufer notleidender Kredite und
  • die Aufsicht über Kreditdienstleistungsinstitute.

Da eine Kreditbeziehung, wie bereits die lateinische Ableitung von „credere“ (vertrauen) zum Ausdruck bringt, ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunde begründet, muss ein ausreichend hohes Schutzniveau für die Kreditnehmer gewährleistet werden.

Nach § 28 KrZwMG müssen Kreditkäufer und Kreditdienstleister in ihren Beziehungen zu Kreditnehmern nach Treu und Glauben und unter Beachtung der Verkehrssitte handeln, den Kreditnehmern ausschließlich zutreffende und verständliche Informationen zur Verfügung stellen und die personenbezogenen Daten sowie das Recht auf Vertraulichkeit der Kreditnehmer achten und schützen. Weiter dürfen sie Kreditnehmer nicht unangemessen beeinflussen, insbesondere keine Handlungen vornehmen, die die Entscheidungsfreiheit des Kreditnehmers durch Belästigung, unrechtmäßige Ausübung von Druck oder Nötigung beeinträchtigen. Die Einhaltung dieser im Detail auslegungsbedürftigen Schutzvorschriften wird die Justiz in den nächsten Jahren vermutlich noch beschäftigen.

Definitionen und Vorgaben durch das Kreditzweitmarktgesetzes

§ 2 Abs. 4 KrZwMG definiert erstmals den Begriff des Kreditdienstleisters. Dazu rechnen sowohl Kreditdienstleistungsinstitute als auch Kreditinstitute, wenn sie Kreditdienstleistungen für einen Kreditkäufer erbringen. Unter Kreditdienstleistungen versteht die Kreditzweitmarktrichtlinie eine oder mehrere der folgenden Tätigkeiten (Art. 2 Ziffer 9, gekürzt; ebenso § 2 Abs. 3 KrZwMG):

  • Eintreibung von fälligen Zahlungen vom Kreditnehmer aufgrund von Ansprüchen des Kreditgebers aus einem Kreditvertrag;
  • Neuaushandlung der Bedingungen mit dem Kreditnehmer im Zusammenhang mit den Ansprüchen des Kreditgebers aus einem Kreditvertrag;
  • Verwaltung von Beschwerden im Zusammenhang mit Ansprüchen des Kreditgebers aus einem Kreditvertrag;
  • Unterrichtung des Kreditnehmers über jede Änderung der Zinssätze oder Belastungen oder fällige Zahlungen aufgrund von Ansprüchen eines Kreditgebers aus einem Kreditvertrag.

Kreditkäufer sind gemäß § 2 Abs. 5 KrZwMG Personen oder Unternehmen, die keine Kreditinstitute mit Erlaubnis zum Erbringen des Kreditgeschäfts sind, und die in Ausübung ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit einen notleidenden Kreditvertrag oder Ansprüche des Kreditgebers hieraus erwerben.

Pflichten der Verkäufer notleidender Kredite

Pflichten der Verkäufer notleidender Kredite Diese ergeben sich aus § 6 KrZwMG. Demnach hat der Kreditverkäufer dem Kreditkäufer vor Abschluss der Vereinbarung über den Erwerb des NPLs die Informationen über den notleidenden Kreditvertrag sowie über die etwaigen Sicherheiten so zur Verfügung zu stellen, dass der Kreditkäufer zum einen den Wert des Vertrags oder der Ansprüche hieraus sowie zum anderen die Wahrscheinlichkeit, dass der Wert realisiert werden kann, selbst beurteilen kann. Um hier eine einheitliche Vorgehensweise zu schaffen, gab die Richtlinie EU/2021/2167 im Artikel 16 der EBA vor, einen Entwurf technischer Durchführungsstandards für Vorlagen auszuarbeiten, mit denen Kreditinstitute die vorgesehenen Angaben übermitteln müssen. Hierzu wurde die Durchführungsverordnung (EU) 2023/20835 erlassen, die die Details zur Übermittlung der zur Verfügung zu stellenden Informationen regelt, die hier nur angerissen werden können.

Nach Artikel 3 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2023/2083 müssen die Kreditinstitute den potenziellen Käufern zu jedem Kreditvertrag unter anderem die folgenden Informationen zur Verfügung stellen:

a. Gegenpartei gemäß Datenvorlage 1 in Anhang I;
b. Kreditvertrag gemäß Datenvorlage 3 in Anhang I;
c. Sicherheiten, Garantien und Vollstreckung gemäß Datenvorlage 4.1 in Anhang I;
d. Hypothekarbürgschaft gemäß Datenvorlage 4.2 in Anhang I;
e. Aufstellung der bisherigen Einziehungen und Rückzahlungen gemäß Datenvorlage 5 in Anhang I.

Beispielsweise sind die folgenden Informationen gemäß Abs. 1 c) [Sicherheiten, Garantien und Vollstreckung gemäß Datenvorlage 4.1 in Anhang I] – hier auszugsweise – anzugeben:

  • Kennung der Sicherung,
  • Art der Immobilie,
  • Anschrift der Immobilie,
  • Grundbuch-Kennnummer der als Sicherheit dienen- den Immobilie,
  • Bezeichnung des Grundbuchs,
  • Baujahr, Baufläche, Grundstücksfläche,
  • Fertigstellung der Immobilie,
  • Wert des Energieeffizienzausweises,
  • Wert und Datum der letzten internen sowie Betrag und Datum der letzten externen Bewertung,
  • Status der Vollstreckung.

Nach Datenvorlage 5 ist für jeden Kredit eine Aufstellung der Einziehungen und Rückzahlungen vor dem Stichtag anzugeben, auch soweit diese durch eine eingeschaltete externe Inkassoagentur veranlasst wurden. Die gesamten erfolgten Einziehungen und Rückzahlungen sind pro Monat zu summieren und in Spalten anzugeben. Der Zeitraum muss mindestens 36 Monate vor dem Stichtag abdecken.

Für die Käufer besteht aus ökonomischer Sicht das zentrale Problem darin, den Erwartungswert der Kreditrückzahlung zu bestimmen und einen Risikoabschlag darauf zu ermitteln. Die obige Durchführungsverordnung definiert dabei die zugänglichen Informationen.

Die bisherigen Einziehungen und Rückzahlungen werden ein wichtiger Indikator bei der Bewertung der einzelnen Kredite beziehungsweise realistischerweise der zu bewertenden Portfolios sein. Ebenso ist die bisherige Wertermittlung (sowohl intern als auch extern) als Basis für eine etwaige Verwertung der Sicherheit(en) von großer Bedeutung.

Methodisch gesehen könnte das erworbene Kreditportfolio in die Bewertung des bisherigen Kreditportfolios des Erwerbers integriert werden. Auf dieser Basis ließe sich dann neben dem erwarteten Verlust auch die Veränderung des unerwarteten Verlusts unter Berücksichtigung der Korrelation zwischen den Kreditnehmern bestimmen. Alternativ ist zunächst der erwartete Verlust zu bestimmen, der ohne Kreditrisikomodell ermittelbar ist. Der Käufer zahlt demnach maximal den Erwartungswert der Kreditrückzahlung, also den Barwert der künftigen Kredit-Cashflows nach Abzug des Adressrisikobarwerts.

Beispiel (vereinfachend wird eine konstante Verwertungsquote von 90 % unterstellt):

Der Kredit sieht Raten in Höhe von 30.000 € in einem Jahr und 1.030.000 € in zwei Jahren vor.

Diskontierungssatz: 1 %, kumulierte Ausfallwahrscheinlichkeit für zwei Jahre: 99 %, Ausfallwahrscheinlichkeit des ersten Jahres: 90 %.

Der Barwert des Kredits in Höhe von 1.039.408 € ist um den Barwert der Adressrisikoprämie in Höhe von 102.634 €6 zu vermindern. 936.774 € ist damit der maximale Betrag, den der Erwerber zahlen wird. Sofern sich der Kredit bereits in der Verwertungsphase befindet, ist der Barwert der Sicherheit (inklusive der Verwertungskosten) maßgeblich.

Pflichten der Käufer notleidender Kredite

Nach § 7 Abs. 1 KrZwMG hat ein Kreditkäufer, der nicht Kreditdienstleister ist, bei Vertragsabschluss bezüglich eines notleidenden Kreditvertrags einen Kreditdienstleister zu beauftragen, um Kreditdienstleistungen im Zusammenhang mit dem NPL durchzuführen, sofern der Kreditvertrag mit natürlichen Personen oder Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen geschlossen worden ist. Diese Kreditnehmer sind also besonders schutzwürdig im Sinne des KrZwMG.

Der Kreditdienstleister erfüllt nach § 7 Abs. 1 KrZwMG für den Kreditkäufer die Verpflichtungen eines Kreditkäufers, die sich insbesondere aus dem KrZwMG, dem Verbraucherschutz-, Vertrags-, Zivil- und Strafrecht ergeben.

Der Kreditkäufer muss nach einer Übertragung eines notleidenden Kreditvertrags der BaFin und Deutschen Bundesbank halbjährlich unter anderem folgende Daten zu den seit der letzten Mitteilung übertragenen Kreditverträgen oder Ansprüchen mitteilen (vgl. § 8 Abs. 3 KrZwMG):

  • die Rechtsträgerkennung7 des neuen Kreditkäufers;
  • den aggregierten offenen Betrag der übertragenen notleidenden Kreditverträge;
  • die Anzahl und das Volumen der übertragenen NPL;
  • Angaben, ob die Übertragung einen mit Verbrauchern abgeschlossenen NPL betrifft;
  • die Art der Sicherheiten.

Zulassung von Kreditdienstleistungsinstituten durch die BaFin

Die Erbringung von Kreditdienstleistungen erfordert nach § 10 KrZwMG eine Zulassung der BaFin, es sei denn, sie werden von Kreditinstituten erbracht – hier liegt bereits eine Erlaubnis zum Betreiben des Kreditgeschäfts vor. Hauptanwendungsfall werden wohl Inkassounternehmen sein. Diese benötigen künftig für beispielsweise den Forderungseinzug von NPLs eine Zulassung. Die Zulassung setzt unter anderem die fachliche Eignung und Zuverlässigkeit der Geschäftsleitung voraus und eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation mit internen Kontrollverfahren, die auch die Kreditnehmerrechte wahrt und personenbezogene Daten schützt.

Auch sind Prozesse einzurichten, um Beschwerden der Kreditnehmer zu bearbeiten. Zu weiteren Details vgl. §§ 10–16 KrZwMG. Kreditdienstleistungsinstitute unterstehen der unmittelbaren Aufsicht durch die BaFin. Die BaFin veröffentlicht auf ihrer Website8 ein Register aller Unternehmen, die Kreditdienstleistungen in Deutschland erbringen dürfen (§ 26 KrZwMG).

Insolvenzschutz für Zahlungen des Kreditnehmers

Einen besonderen Schutz des Kreditnehmers sieht § 17 KrZwMG für die Entgegennahme und das Halten von Mitteln durch Kreditdienstleistungsinstitute vor. Diese dürfen Zahlungen von Kreditnehmern entgegennehmen und halten, um sie an den Kreditkäufer zu übertragen. Dabei stellt sich das Problem der Veruntreuung dieser Mittel durch den Kreditdienstleister. Als Lösung sieht der Gesetzgeber die Verwendung eines gesondertes Treuhandkontos vor. Dort sind die Zahlungen des Kreditnehmers bis zu ihrer Weiterleitung an den Kreditkäufer zu halten.

Diese Mittel sind vor der Insolvenz des Kreditdienstleistungsinstituts zu schützen, das heißt, sie dürfen insbesondere nicht in die Insolvenzmasse des Kreditdienstleistungsinstituts fallen.

Pflichten zur Information des Kreditnehmers

§ 30 KrZwMG sieht umfangreiche Pflichten des Kreditkäufers oder der Kreditdienstleister zur Information des Kreditnehmers vor, wie die Informationen über den erfolgten Übergang des Kreditvertrags, den Namen und die Kontaktdaten des Kreditkäufers, im Fall der Beauftragung eines Kreditdienstleisters dessen Namen und Kontaktdaten oder Informationen zu den vom Kreditnehmer zum Zeitpunkt der Mitteilung geschuldeten Kreditbeträgen sowie Zinsen und Entgelten.

Für den Kreditverkauf oder -kauf selbst sieht das KrZwMG keine spezielle Genehmigungs- oder Erlaubnispflicht vor, auch benötigen Kreditkäufer keine Erlaubnis.

Rechte der BaFin

Die BaFin soll anhand verschiedener Informations-, Auskunfts- und Eingriffsrechte die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen durch die Kreditkäufer, Kreditdienstleister, Kreditinstitute und Auslagerungsunternehmen gewährleisten.

Beispiele: Kreditdienstleistungsinstitute müssen ihre Jahresabschlüsse rechtzeitig bei der BaFin einreichen, § 32 KrZwMG; unverzügliche Anzeige wesentlicher Änderungen bei der BaFin (neuer Geschäftsleiter, Gesellschafterwechsel), § 35 KrZwMG; Prüfung der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben durch jährliche Abschlussprüfungen durch Wirtschaftsprüfer oder eigene Prüfungen der Bankenaufsicht.

Bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorschriften kann die BaFin einschreiten, zum Beispiel durch Verwarnung oder gar Abberufung von Geschäftsleitern, die Einsetzung von Sonderbeauftragten oder im Extremfall Entzug der Erlaubnis. Auch Bußgelder für Verstöße etwa gegen Anzeige- und Meldepflichten können durch die BaFin verhängt werden.

Über Maßnahmen gegen Unternehmen auf Basis des KrZwMG und Warnungen vor Unternehmen informiert die BaFin unter bestimmten Voraussetzungen auf ihrer Website9.

Fazit

Die mit dem Kreditzweitmarktgesetz verbundene Zielsetzung, den Verkauf von NPLs an Kreditkäufer auf effizient und transparent organisierten Sekundärmärkten zu ermöglichen, ist zu begrüßen. Die Verhandlungssituation im vorliegenden Kontext ist aus ökonomischer Sicht sehr interessant. Es bleibt abzuwarten, ob sich die von der EU erhoffte marktgerechte Lösung des Abbaus der NPL-Bestände einstellt. Im Detail sind die Regelungen – wieder einmal – recht komplex. Das zeigen schon die umfangreichen FAQs zum Kreditzweitmarktgesetz10.

Quellen und weiterführende Hinweise
Konrad Wimmer

Prof. Dr. Konrad Wimmer

ist promovierter Diplom-Kaufmann und bei msg for banking für die strategische Themenentwicklung verantwortlich. Sein Fokus liegt auf den Themen Sustainable Finance, Bankcontrolling, Finanzmathematik, Geschäftsfeldsteuerung, wertorientierte Vertriebssteuerung und Risikomanagement. Er berät Banken zu diesen Themen und ist erfahrener Referent und Autor.

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